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27-05-2004 Schlagseite |
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Estland: Noch nicht in Europa angekommen
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Von Karsten Packeiser, Moskau. Umzüge stolzer Veteranen der Waffen-SS sind seit einigen Jahren jeden Frühling in Lettland bereits zu einem festen Ritual geworden. Nun soll in der estnischen Hauptstadt Tallinn ab diesem Sommer ein Denkmal für die Legionäre erichtet werden, die während des Zweiten Weltkrieges auf Seiten Hitlerdeutschlands gegen die Rote Armee kämpften. Nur 50 Meter von einem sowjetischen Kriegsehrenmal entfernt sollen drei große Kreuze und Gedenktafeln an die 16 estnischen SS-Einheiten erinnern. So plant es die “Gesellschaft der Kämpfer für die Freiheit Estlands”.
Vor allem in Russland wird das Vorhaben mit einer Mischung aus Entsetzen und Verbitterung zur Kenntnis genommen. Zumal nur wenige Tage später russische Medien berichteten, in einer estnischen Kleinstadt solle das Denkmal für einen sowjetischen Weltkriegs-General abgerissen werden.
Viele einstige SS-Legionäre im Baltikum sind bis heute davon überzeugt, dass sie in jenen Jahren auf der richtigen Seite standen. Nach nur 20 Jahren Unabhängigkeit waren die baltischen Republiken 1939 im geheimen Zusatzprotokoll des Hitler-Stalin-Paktes der sowjetischen Einflussspähre zugeschlagen und wenig später von der UdSSR annektiert worden. Der Terror des Stalin-Regimes fegte mit voller Macht über die drei bürgerlichen Republiken hinweg. Tausende Balten – tatsächliche oder vermeintliche Gegner der neuen Gesellschaftsordnung - wurden in Viehwaggons in die sibirischen Straflager deportiert. Dass die deutschen Truppen jedoch alles andere als Befreier waren, übersehen die SS-Veteranen genauso gerne, wie sie von der bestialischen Ausrottung der baltischen Juden und anderen Gräueltaten der Hitler-Truppen am liebsten nichts wissen würden, an denen Legionäre aus dem Baltikum teils aktiv beteiligt waren.
Den mit über 20 Millionen Menschenleben bezahlten Sieg im Zweiten Weltkrieg werten alle Russen gleich welcher Weltanschauung als unbestreitbare Errungenschaft jener Epoche. Versuche, die Einheiten des Dritten Reichs mit der Sowjetarmee auf eine Stufe zu setzen, lösen daher jedes Mal empörte Proteste aus. Doch nach Jahrzehnten unfreiwilliger Mitgliedschaft in der Sowjetunion sind russische Proteste das letzte, was Esten und Letten heute hören wollen.
Entschiedene Worte aus Europa würden in dieser Situation sicherlich mehr Wirkung zeigen. Doch die EU versucht bislang, die Kinderkrankheiten ihrer neuen Mitglieder nicht zu bemerken und sieht über die Verharmlosung der NS-Vergangenheit im Baltikum genauso hinweg, wie über die fortdauernde Diskriminierung der russischen Minderheit.
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