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04-09-2004 Schlagseite |
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Abschied von den Tschetschenien-Klischees
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Von Gisbert Mrozek, Moskau. (Aktualisiert 5.9.) Während der Sommerferien schafften sie, als Bauarbeiter getarnt, Sprengstoff säckeweise in den Keller unter dem Sportsaal. Waffen, Munition und Sprengstoff als Zementsäcke und Baumaterial getarnt. Aus diesem Depot konnten sie sich bequem bedienen. Sie verminten den gesamten Saal. Trennten die Geiselgruppen durch Sprengfallen. Packten zwei grosse Bomben in die Basketball-Netze über ihren Köpfen. Und eine dieser Bomben, so sagen Augenzeugen, explodierte dann am Freitagmittag zufällig.
Sie löste das erste Blutbad aus, die Panikflucht der Kinder, die Salven der Kidnapper ihnen in den Rücken, das verzweifelte Eingreifen der Antiterroreinheiten, die aus dem Stand zum Handeln gewungen waren, obwohl sie eigentlich gar nicht sollten.
Das war der Anfang des Endes mit Schrecken, jedenfalls nach den ersten Augenzeugenberichten, die jetzt bekannt werden. Und es war die fast schon logische Fortsetzung des Grauens, das an dem sonnigen Morgen begann, der eigentlich der Schulanfang sein sollte.
Unsere Schwester hat schon gesiegt
Eine der Geiselnehmerinnen habe sich gleich zu Anfang zusammen mit vielen Männern unter den Geiseln im Schulflur in die Luft gesprengt. „Unsere Schwester hat schon gesiegt“, sollen die anderen Terroristen dazu gesagt haben. Sie erschossen alle jungen Männer, die kräftigsten zuerst, warfen sie auf den Hof. Nur einer, der doch noch nicht ganz tot war, konnte in der Nacht aus der Schule herauskriechen. Bevor er im Krankenhaus starb, konnte er noch ein wenig erzählen.
Wenn die kleinen Kinder im Saal zu schreiben anfingen, schossen die Kidnapper in die Decke, um die mörderische Ruhe wiederherzustellen.
Das alles sind zu schwache Wortbilder, um die Angst zu beschreiben, die die Geiseln dort in Beslan tagelang würgte. In den nächsten Tagen wird es noch viele Berichte geben. Und vielleicht auch solche, in denen der Grossmut der Geiselnehmer beschrieben wird - vielleicht, weil sie einigen Kindern erlaubten, Wasser aus den Toiletten zu schöpfen.
Vielleicht mache ich mir keine neuen Freunde mit den ersten Schlussfolgerungen aus dem Geiseldrama. Vielleicht irre ich mich auch, denn viele Informationen sind noch nicht hart geworden. Aber es scheint mir höchste Zeit, Abschied von einigen Klischees zu nehmen. Besonders von denen, die in den letzten Tagen den grössten Teil der deutschen Kommentare prägten.
Abschied von den Tschetschenien-Klischee-Kommentaren
Alles, was wir bisher wissen, erlaubt es nicht mehr, die alten Tschetschenen-Interpretationen anzuwenden, die der deutschen und westeuropäischen Szene so lieb sind: Die Geschichte von dem edlen, wilden Bergvolk, dass erst von den Zaren, dann von Stalin und schliesslich Jelzin und Putin so gequält wurde, dass die Tschetschenen einfach nicht mehr anders können, als Terroristen zu werden, wenn Putin sie nicht schnellstens in die Unabhängigkeit entlässt.
Der Anführer der Geiselnehmer war ein Tschetschene, sein Vize ein Ingusche. Und dann waren da unter den 27 toten Kidnappern auch noch neun Araber und ein Afrikaner, sagen zumindest die russischen Behörden. Mit anderen Worten – das war keine Gruppe von edlen Wilden, die sich aus den Bergen auf den Weg machten, ihre toten Brüder und Schwestern zu rächen. Es war eine terroristische Interbrigade, denen der Moralkodex der Tschetschenen, der „Adat“ nichts galt.
Tschetschenen demonstrieren gegen terroristische Interbrigade
Und es ist darum kein Wunder, dass gegen ihre Geiselnahme sogar in Inguschetien tausende demonstrierten, obwohl doch die Inguschen, die einzigen engen Verwandten der Tschetschenen, für die Osseten und ihre Kinder eigentlich nur Hass übrig hatten in den vergangenen Jahren. Und es ist auch kein Wunder, dass sogar in Grosny und Gudermes tschetschenische Schüler und Studenten auf die Strasse gingen. Natürlich haben da die Garden Kadyrows und Alchanows nachgeholfen. Aber das konnten sie nur, weil die Geiselnahme in Beslan tatsächlich in jeder Hinsicht den Vorstellungen von Moral und Ehre der Bergvölker widersprach. Mit dem Krieg, den der grosse Schamil einst gegen den Zaren führte, hat das nichts mehr zu tun. Die Beteiligung von Tschetschenen an dieser Geiselnahme wird von vielen Tschetschenen als Schande betrachtet.
Auch die Forderung der westeuropäischen Liberalen, Linken und Alternativen, Putin müsse so schnell wie möglich seine Truppen aus Tschetschenien abziehen und die Bergrepublik in die Unabhängigkeit entlassen, ist durch die Geiselnahme gründlich diskreditiert.
Tschetschenien -
internationale Räuberhöhle ?
Würde Tschetschenien morgen unabhängig, würden sich übermorgen die Untergrundgruppen keineswegs scharen-weise zu Urschrei-Therapie-Gruppen oder zu Umschulungskursen auf Bienenzüchter, Kräuterbotaniker und Bergführer anmelden.
Die Gruppierungen, die in Tschetschenien den Ton angeben, würden stattdessen den neuen Freiraum nutzen, ihr höchst zweifelhaftes Business weiter auszubauen. Zuzug bekämen sie aus aller Welt. Tschetschenien würde sehr schnell zu einer internationalen Räuberhöhle ersten Ranges avancieren, die lange Zeit von niemandem zu kontrollieren wäre. Und schon gar nicht von Xavier Solana, George Bush, Angela Merkel, Joschka Fischer oder Gerhard Schröder.
Eigentlich hatten wir das ja auch schon einmal. Wer sich an die Jahre von 1995 bis 2000 erinnert, kann diese Absätze überschlagen.
Zwischen 1996 und 2000 ist das Experiment „Republik Itschkeria-Tschetschenien“ schon einmal gründlich gescheitert.
1995 erzwingt Schamil Bassajew mit der blutigen Massengeiselnahme in Budjonnowsk einen Waffenstillstand. Radujew erniedrigt 1996 mit seiner Geiselnahme von Kislar/Pervomaiskoje und seiner erfolgreichen Flucht Moskau weiter. Ein gutes halbes Jahr später, am 30.8.1996 vereinbart Jelzin (Lebed) in Chassawjurt den Truppenabzug. Tschetschenien hat Frieden und Freiheit.
Einige Ex-Feldkommandeure nutzen sie, um in den umliegenden russischen Regionen Vieh, Benzin und Geiseln zu rauben. Nach jedem skandalösen Geiselmord erklärt Aslan Maschadow, das sei von ausländischen Geheimdiensten inszeniert.
Ein Wiederaufbau findet nicht statt. Und niemand hat ihn überhaupt jemals ernsthaft vorgehabt. Stattdessen überlegen die Sieger von Chassawjurt fieberhaft, wie sie ihre Revolution weiter exportieren können. Von den Feldkommandeuren um Bassajew werden ernsthaft Pläne geschmiedet, sich Schewardnadse als Schutztruppe anzubieten. Drei Jahre nach Chassawjurt überfällt Bassajew die Republik Dagestan, um den ganzen Kaukasus zu "befreien".
Hätte Moskau sich zurückgezogen, wäre der ganze Kaukasus in einem blutigen Chaos versunken.
Das alles so bleibt, wie es jetzt ist, ist natürlich auch keine Alternative. Besonders nach der Geiselnahme von Beslan muss Putin Kurs auf eine politische Lösung für Tschetschenien nehmen. Es gibt keinen anderen Weg. Die Schule der Brutalität und des Terrors, die tschetschenische Kinder seit 10 Jahren absolvieren, muss geschlossen werden.
Für eine politische Lösung gibt es drei Grundbedingungen, die bisher noch nicht erfüllt sind. Für zwei von ihnen ist Moskau verantwortlich. Für die dritte Westeuropa.
Erstens müssen Putin, Iwanow und Sidorow entschlossen und demonstrativ gegen den Alltagsterrorismus ihrer Militärs, Milizen und Geheimdienstler in Tschetschenien vorgehen. Recht, Gesetz, Adat und die Menschenrechte müssen geachtet werden.
Das ist schwer genug, denn so wie Schwarzer Markt und Graue Ökonomie in Russland fast immer mehr Platz einnahmen, als in Westeuropa, so waren Korruption, Unterschlagung, Schieberei, Marodiererei, Plünderung und Rekrutenschinderei schon immer wesentliche Bestandteil der inoffiziellen Konstitution des russischen Militärs. Aber das muss anders werden.
Wie wäre es, als erzieherische Massnahme einige Dutzend Prozesse gegen russische Militärs zu Ende zu führen ? Die Militärstaatsanwaltschaft hat, wie man weiss, genug Material dafür.
Zweitens müsste Putin bei den Tschetschenen Abbitte leisten für das Unrecht der Zarenkriege und der Stalinschen Deportationen. Manche Geheimdienstler und Militärs in Russland würden das nicht verstehen. Aber eine neue historische Perspektive ist nicht zu eröffnen, wenn die Geschichte nicht überwunden wird.
Wie wäre es, wenn zum Beispiel Putin an der alten Tschetschenen-Festung von Vedeno vor den Ältesten der grössten Taips aller Tschetschenen persönlich um Vergebung für die Stalinsche Deportation bitten würde? Um dann mit ihnen ein historisches Bündnis gegen den Terror und für Gesetz und Frieden zu schliessen?
Ohne den Segen dieser Grossen Symbolik dürfte es wenig nützen, wenn Putin den Tschetschenen in Grosny Öl-Dollar und Handys und in Moskau Bestandsschutz anbietet.
Drittens müsste die deutsche und westeuropäische Politik – Szene inklusive – gegenüber den Tschetschenen darauf beharren, dass sie auf den bewaffneten Kampf verzichten. Dass Terroraktionen und der bewaffnete Widerstand keine Perspektive haben. Europa sollte nach Kräften in Tschetschenien und in der tschetschenischen Emigration darauf hinwirken, dass dort ein Wertewechsel stattfindet. So schwer das auch ist, da eine ganze Generation vom Krieg erzogen wurde. Aber es wird Zeit, dass nicht mehr Kalaschnikow und Sprengstoffgürtel als die idealen Instrumente der nationalen Befreiung betrachtet werden, sondern Hochschulstudium und Computersoftware.
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