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Ununterbrochen strömen die Menschen seit Dienstag 16.30 Uhr in die Christi-Erlöser-Kathedrale (Foto: Djachkov/fotodv-at-comtv.ru).
Ununterbrochen strömen die Menschen seit Dienstag 16.30 Uhr in die Christi-Erlöser-Kathedrale (Foto: Djachkov/fotodv-at-comtv.ru).
Mittwoch, 25.04.2007

Boris Jelzin: Letztes Lebewohl mit Tränen

Moskau. Bis spät in die Nacht verabschiedeten sich die Moskauer von Boris Jelzin. Mit Bergen von Blumen und tausenden Kerzen ehrten sie ihren Präsidenten. Bewegt vergoß so mancher Trauergast Tränen. Ein Stimmungsbild.

Der Platz vor der Christ-Erlöser-Kathedrale ist am Dienstag auch um 23.30 Uhr noch belebt. Normalerweise herrscht hier, an der Pretschistenskaja Uferstraße, einen Steinwurf vom Kreml entfernt, um diese Uhrzeit Totenstille. Aber heute Nacht versammeln sich die Moskauer Bürger vor dem gewaltigen, weißen Gotteshaus mit den vergoldeten Kuppeln, um sich von ihrem ersten Präsidenten zu verabschieden. Boris Jelzin ist am Montag nach einer mehrere Tage andauernden Virusinfektion an Herzversagen verstorben.

Langsam, ruhig, mit gesenktem Kopf


Letztes Lebewohl am aufgebahrten Sarg (Foto: Djachkov-fotodv-at-comtv.ru).
Letztes Lebewohl am aufgebahrten Sarg (Foto: Djachkov-fotodv-at-comtv.ru).
Der Innenraum der unteren Kirche in der Christi-Erlöser-Kathedrale ist hell erleuchtet. Es riecht nach Kerzenwachs. Ununterbrochen und im immer gleichen Rhythmus tönt das Gebet des Geistlichen.

Links und rechts neben den hohen, hölzernen Eingangspforten sind Kränze und Blumengestecke aufgebaut. Auf den Schleifen steht: Für den verstorbenen Boris Jelzin vom Sicherheitsdienst des Präsidenten, von der Verwaltung des Präsidenten, vom Tschechow-Theater, von der Akademie der Wissenschaften, vom Präsident von Baschkortostan.

Die Menschen reihen sich ein, um den Trauerweg abzuschreiten – vom einen Ende des Kirchen-Innenraums bis zur Ikonen-Wand, der Ikonostase, wo der Sarg von Boris Jelzin aufgebahrt ist gehen sie langsam, ruhig, mit gesenktem Kopf. Die Frauen haben ihre Haare unter Tüchern verborgen.

Aus allen Sowjetrepubliken


Unter den Trauergästen sind Russen und auch russische Bürger aus den Kaukasus-Republiken und aus Mittelasien. Vielen haben auf dem Weg zur Kathedrale oder am Eingang Blumen oder dünne, gelbe Kerzen gekauft, die sie zu Ehren von Boris Jelzin niederlegen oder entzünden wollen.

Nur langsam schieben sich die Menschen durch den Innenraum vorwärts. Schritt für Schritt. Viel Zeit zum Nachdenken. Was hat Boris Jelzin für mich bedeutet. Was war das wirklich für ein Mensch, der Gorbatschow gestürzt hat, unter dem der Tschetschenien-Krieg ausgebrochen ist, der auf Volksfesten gern einen Wodka zu viel trank, mit den Bürgern sang und tanzte? So viel scheint für alle Anwesenden fest zu stehen, wie auch immer sie den ersten russischen Präsidenten beurteilen: Boris Jelzin war ein Mann, der die Massen in seinen Bann zog – auch in seinem Tod gelingt ihm das noch.

Mit freundlichem Grinsen


Zur wächsernen Maske erstarrt - das Gesicht des verstorbenen Boris Jelzin (Foto: Djachkov/fotodv-at-comtv.ru).
Zur wächsernen Maske erstarrt - das Gesicht des verstorbenen Boris Jelzin (Foto: Djachkov/fotodv-at-comtv.ru).
Am Ende des Kirchen-Innenraums, kurz vor der Ikonostase, ist der Sarg aufgebahrt. Vier Gardesoldaten stehen stocksteif mit versteinertem Blick an den vier Sargenden.

Links neben dem Sarg steht ein Fotoporträt von Boris Jelzin. Es zeigt den Verstorbenen in einem weißen Strickpullover, sitzend, mit breitem, freundlichen Grinsen den Trauernden zugewandt.

Links vom Sarg, am Ende des Trauerwegs, ist ein gut vier Meter langer Tisch aus dunklem Holz aufgebaut. Hier legen die Menschen ihre Blumen ab. Rote und weiße Rosen, Nelken, Gerbera und auch Orchideen. Hunderte, mehrere Tausend wahrscheinlich im Verlauf der Nacht.

„Weiter gehen, weiter gehen“


Bei Russland-Aktuell
• Mehr über die Christ-Erlöser-Kathedrale
Alle zehn Minuten räumt ein Mitarbeiter des Sicherheitsdienst den Tisch frei. Mit beiden Armen kann er das dicke Bündel Blumen gerade so umfassen. Der Mann schwitzt, als er die schwere Last aus dem Innenraum der Kirche trägt.

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• Mehr über das Neujungfrauen-Kloster
Die Menschen blicken zum Sarg herüber, der in gut fünf Meter Entfernung vom Blumentisch aufgebahrt ist. Es ist nicht viel zu erkennen. Das Gesicht des Präsidenten. Es ist bleich wie Wachs und glänzt. „Weiter gehen, nicht stehen bleiben“, raunt ein Sicherheitsbeamte mit Funkknopf im Ohr den Trauergästen zu. „Weiter gehen, nicht stehen bleiben.“

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• Fotogalerie von den Trauerfeierlichkeiten
Kurz vor dem Ausgang aus dem Kircheninnenraum stehen zwei große Kerzenständer, in die die Menschen die dünnen, gleben Kerzen stecken. Zwei ältere Frauen, Mitarbeiterinnen der Kathedrale, sind ununterbrochen damit beschäftigt, halb abgebrannte Kerzen aus den Ständern zu entfernen, um Platz für neue zu machen. Akkord-Arbeit!

Tränen für Boris Jelzin


Eine Frau verlässt den Innenraum. Sie wischt sich die Tränen aus den Augen, ihre Schultern zucken, sie schluchzt. Ihr Begleiter legt den Arm um sie. Führt sie mit gebeugtem Kopf nach draußen. Die Frau ist nicht die einzige, die in dieser Nacht Tränen für Boris Jelzin vergießt.

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• Umfrage: Ein Himmelbett für Boris Jelzin (24.04.2007)
• Ex-Präsident Jelzin wird morgen in Moskau begraben (24.04.2007)
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• Boris Jelzin: Seine Erbschaft wird ihn lange überleben (23.04.2007)
• Jelzin: Das Symbol für Russland in den 90er Jahren (23.04.2007)
Es ist jetzt 00.30 Uhr. Vor den Metalldetektoren auf dem Vorplatz der Kathedrale stehen die Menschen immer noch in der Schlange. Journalisten führen Interviews, versuchen die Stimmung einzufangen. Die Kollegen vom polnischen Fernsehen fragen eine Frau: „Was bedeutete Boris Jelzin für Sie?“



Menschentrauben vor der Kirche



Auch nachdem sie die Kathedrale verlassen haben, verharren viele noch auf dem Vorplatz. Können sich offenbar nicht entschließen, diesen geschichtsträchtigen Augenblick hinter sich zu lassen. Auch der berühmte russische Filmregisseur Nikita Michailkow steht vor der Kathedrale und unterhält sich mit einer Frau. In Jeans und schwarzer Lederjacke hebt er sich nicht ab aus der Masse. Mit gesenktem Kopf verlassen der Chefredakteur des Radiosendes Echo Moskaus Alexej Wenediktow und seine Begleiterin die Kathedrale.
Kleine Menschengruppen stehen auch auf dem Vorplatz der Metrostation Kropotkinskaja und unterhalten sich. Selbst jetzt noch, kurz vor 01.00 Uhr nachts, steigen Trauergäste die Treppe der Station empor, Blumen in der Hand. Auch sie wollen Boris Jelzin Lebewohl sagen.


(cj/.rufo/Moskau)


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