St. Petersburg. Die Petersburger Universität feiert ihren 280. Geburtstag. Aus diesem Anlass gab es am Sonntag einen Festabend im Mariinski-Theater. Wer auch immer die Bühne am Theater-Platz erklomm, lobte die würdige Alma Mater und deren Absolventen. Ganz besonders einen davon – wer nicht wusste, worum es ging, hätte meinen mögen, er sei in eine Wahlveranstaltung von Wladimir Putin geraten.
Gefeiert wird das denkwürdige Datum über mehr als einen Monat. Am Freitag hatte Ljudmila Werbizkaja, die energische Rektorin der St. Petersburger Universität, die Feierlichkeiten mit dem traditionellen Mittags-Kanonenschuss von der Bastion der Peter-Paul-Festung eingeleitet. Am 16. Februar versammelt sich der Lehrkörper zu einer Festsitzung. Und am 23. März trifft sich die jetzige Studentenschaft zu einem Abend im Sportpalast „Jubilejny“.
Der absolute Höhepunkt war jedoch zweifellos die gestrige Gala im Mariinski-Theater. Auch der russische Präsident Wladimir Putin hatte eine Einladung bekommen. Statt ihm, der nach Werbizkajas Worten „so sehr mit dem Wahlkampf beschäftigt ist“, kam die First Lady des Landes, Ljudmila Putina. Auch sie übrigens eine Absolventin der Leningrader Staatlichen Universität, wie sie in sowjetischer Zeit hieß. Während sie an der Philologischen Fakultät studierte, befasste sich ihr Mann mit der Wissenschaft der Jurisprudenz.
Ljudmila Putina überbrachte die herzlichsten Grüße aus dem Kreml. „In der Petersburger Universität wurde stets gelehrt, frei zu denken, seine Position zu verteidigen und mutige Entscheidungen zu fällen“, zitierte sie ihren abwesenden Gatten. Der Föderationsrats-Vorsitzende Sergej Mironow erinnerte an „die Absolventen, die einen ungewöhnlichen Beitrag zur Entwicklung unseres Staates geleistet haben“. Direkt sprach er dabei nicht von Putin, aber im Saal war jedem klar, wen er damit meinte.
Valentina Matwijenko bemühte sich erst gar nicht darum, mit ihrer Verehrung für Herrn Putin hinter den Berg zu halten. „Wir sind stolz auf Wladimir Wladimirowitsch Putin“, rief die forsche Frau Gouverneurin von St. Petersburg in den Saal. Duma-Speaker Boris Gryslow schlug, wenn auch nur per Telegramm, in die gleiche Kerbe, indem er dem ehemaligen Studenten der Petersburger Uni bescheinigte, er trage „die hohe Flagge der Verantwortung für die Lage im Lande“.
Bei so viel freiwilliger Agitation im Vorfeld der Präsidentenwahlen am 14. März geriet der Anlass für die Veranstaltung fast in den Hintergrund. Zumal nicht alle Historiker im Lande mit Frau Werbizkaja und ihren Kollegen übereinstimmen, dass die Petersburger Universität tatsächlich das stattliche Alter von 280 Jahren erreicht hat und damit die älteste im Lande ist. Die Petersburger stützen sich bei der Datierung auf den am 8. Februar 1724 von Zar Peter I. unterzeichneten Ukas über die Gründung der Akademie der Wissenschaften.
Einige Moskauer Historiker zweifeln dies an. Für sie ist die 1755 ins Leben gerufene Moskauer Universität die älteste in Russland. Der Petersburger Uni bescheinigen sie das Gründungsjahr 1819. Alles, was davor war, sehen sie lediglich als Bestandteil der Akademie der Wissenschaften an.
Doch das sind Feinheiten. Reicht es denn nicht aus, dass einige Dutzend der führenden Staatsmänner der Gegenwart den Mauern der Alma Mater auf der Wassili-Insel entsprungen sind? Ein gewichtigeres Argument dafür, wer die Nr. 1 unter den russischen Unis ist, kann es doch gar nicht geben. Die Meinung von Historikern ist da nur noch zweitrangig.
(sb/.rufo)
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