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27-08-2002 Schlagseite

Pressefreiheit: Moskau ist nicht Bagdad

Frühjahr 2001: Demo für die Pressefreiheit in Russland (Foto: Djatschkow/rUFO)Von Karsten Packeiser, Moskau. Seit über zwei Jahren beschwören Medien auf der ganzen Welt das Ende der Pressefreiheit in Russland. Unter Kremlchef Wladimir Putin, so der Tenor auch der deutschen Russland-Berichte, habe das Comeback der Sowjet-Zensur begonnen. Anlässe für diese Befürchtung gibt es genug: die juristisch mehr als bedenkliche Machtübernahme bei NTW, die Abschaltung des Fernsehsenders TW-6 im Januar, die undurchsichtige Entführung von Andrej Babizkij, dem Kriegsreporter von Radio Liberty, durch russische Geheimdienstler oder die Inhaftierung des Militärjournalisten Grigorij Pasko.

Auch die letzten Meldungen aus der Gasprom-Gerüchteküche scheinen diese Ansicht ein weiteres Mal zu bestätigen. Der halbstaatliche Gaskonzern, so stand es in den Moskauer Zeitungen, denkt nun doch nicht mehr daran, sein Medienimperium wie angekündigt vollständig zu verkaufen und sich wieder ganz dem Gasgeschäft zu widmen. Mindestens bis zu den nächsten Präsidentenwahlen werde sich Gasprom nicht von NTW trennen, verrieten Eingeweihte.

Bislang wurde der Konflikt zwischen Gasprom und dem einstigen NTW-Haupteigentümer Wladimir Gussinskij vom Kreml offiziell als "Streit zweier Wirtschaftssubjekte" abgetan. Nun scheinen auch die letzten Zweifel ausgeräumt, dass es von Anfang an darum ging, neben den beiden ohnehin gleichgeschalteten Staatssendern ORT und RTR auch den dritten einflussreichen landesweiten Fernsehkanal auf Generallinie zu bringen.

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• Rubrik Medien und Netzwelt
Der interne Kreml-Machtkampf

Unterdessen rätseln aber Kreml-Astrologen, ob die Offensive gegen kritische Medien, wie vielerorts vermutet, auf Anweisung Putins gestartet wurde. Alexej Wenediktow, der Chefredakteur des Radiosenders "Echo Moskaus", glaubt, Putin stehe mitten in einem Machtkampf zwischen Hartlinern mit Geheimdienstvergangenheit und einer eher liberalen Reformerriege und habe sich selbst bisher noch nicht für eine der beiden Seiten entschieden. Viele der auch international beachteten Skandale um die Pressefreiheit in Russland seien nichts anderes, als Folgen dieses internen Kreml-Machtkampfes.

Denn Moskau ist nicht Bagdad. NTW macht zum Erstaunen vieler auch nach der feindlichen Übernahme durch Gasprom und ohne die Hälfte seiner einstigen Starmoderatoren ein Informationsprogramm, das dem alten kaum nachsteht. Die politischen Sendungen bestehen keineswegs, wie befüchtet worden war, aus reiner Putin-Lobhudelei. Nach dem Machtwechsel im Sender ist lediglich die einst bissige Satiresendung "Kukly" ("Puppen", die russische Version von "Spitting Image") zu einer eher peinlich-handzahmen Veranstaltung ohne jeden Anflug von Witz verkommen.

Auch der ebenfalls von Gasprom kontrollierte Sender "Echo Moskaus" kann es sich weiter leisten, Interviews mit Majrbek Watschagajew, einem engen Vertrauten des tschetschenischen Rebellenpräsidenten Aslan Maschadow auszustrahlen. Wenn ein Mann wie Watschagajew im russischen Rundfunk drohen darf, alle Tschetschenen, die Moskau einen Treuschwur leisteten, würden vernichtet, dann kann es mit der allumfassenden Kontrolle des Kreml über die Massenmedien noch nicht so weit daher sein, wie vielfach im Westen angenommen wird.

Selbst die vielgescholtenen Staatssender ORT und RTR bieten ihren Zuschauern zwar keine ausführlichen Berichte zur Menschenrechtslage in Tschetschenien oder direkte Kritik an Wladimir Putin, aber doch wesentlich mehr als nur Reportagen über die erfolgreiche Ernteschlacht und neue Produktionsrekorde.

So viel Kontrolle wie nötig

Vollständige Offenheit über alles, was im Land vor sich ging, hatte es im übrigen auch unter Michail Gorbatschow nie gegeben. Die Freiheit, über den Terror der Stalinzeit zu berichten, war Ende der 80er Jahre alles andere als eine Einladung, auch alle Fehlleistungen des KP-Chefs Gorbatschow ausführlich darzustellen.

Nach einer Zeit der Wirren, als sich während der Präsidentschaft Jelzins verfeindete Finanzmagnaten erbitterte Medienschlachten lieferten, scheint der Kreml auch heute wieder der Maxime zu folgen: So viel Kritik wie möglich und gleichzeitig so viel Kontrolle wie nötig, um die eigene Machtposition nicht zugefährden. Während es unter Gorbatschow allerdings eine Entwicklung hin zu mehr Freiheit gab, ist lediglich die Marschrichtung heute eine andere.

Im Internet
• Zentrum für Journalismus in Extremsituationen
• Neue Homepage NTW
• Alte NTW-Homepage (arbeitet heute unabhängig von dem Sender)
• Turkmenistan-Artikel aus der Komsomolskaja Prawda

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In der russischen Provinz träumen viele Zeitungen, Radiosender und regionale TV-Stationen derweil noch von den Moskauer Zuständen. Ohne viel Aufsehen verbieten regionale Politiker schon nach verhaltener Kritik den oft staatlichen Druckereien, kritische Zeitungen zu verlegen, und entziehen unliebsamen Medien die Lizenz. Werbekunden weigern sich aus Angst vor möglichen Folgen, Anzeigen in oppositionellen Medien zu schalten.

Besonders arm dran: Turkmenistan

"Schwarze Löcher" nennt Oleg Panfilow vom Moskauer "Zentrum für Journalismus in Extremsituationen" nicht ohne Grund die autonomen Teilrepubliken Baschkirien, Kalmückien oder Marij El -- drei von vielen russischen Teilgebieten, in denen es um die Pressefreiheit ganz schlimm bestellt ist. Der Moskauer Zentralregierung fehlt die Macht, auf die Einhaltung elementarer Normen zu drängen. Die Aktionen gegen Gussinskijs Medienholding Most haben viele Provinzfürsten zudem als Einladung verstanden, selbst mit allen Kritikern aufzuräumen.

Aber im Vergleich mit den anderen GUS-Republiken schneidet Russland beim Stand der Pressefreiheit immer noch verhältnismäßig gut ab. In Weißrussland und unter den neuen Anti-Terror-Verbündeten des Westens in Zentralasien hat sich hingegen seit den finstersten Sowjetzeiten kaum etwas zum Besseren verändert. Allen voran in der bettelarmen Republik Turkmenistan, wo sich alle Medien an dem skurrilen Personenkult um den Staatschef Saparmurat Nijasow beteiligen.

Als die russische Tageszeitung "Komsomolskaja Prawda" unlängst eine Reportage über die Zustände im Land veröffentlichte, schafften es die Behörden nicht mehr, alle in das Wüstenland gelieferten Exemplare rechtzeitig zu beschlagnahmen. Alle Abonennten, die das gefährliche Blatt noch zugestellt bekamen, erhielten daraufhin Besuch von Mitarbeitern der turkmenischen Statssicherheit und mussten sich schriftlich verpflichten, niemandem von dem Inhalt des ketzerischen Berichts zu erzählen.

Das absolute Fehlen von Pressefreiheit in dieser GUS-Republik, sagte der OSZE-Medienbeauftragte Freimut Duve, sei in der Geschichte seiner Organisation einmalig. (epd medien).

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Zweiter Weltkrieg - Kriegsende - Erinnerungen aus Russland und Deutschland

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