St. Petersburg. Als die Kommunalreform vor zwei Wochen wie ein Sahnebonbon durch die erste Lesung im Stadtparlament rutschte, schien es so gut wie sicher, dass die Reform des Wohnungssektors in Gang kommt. Doch nun will keiner der Abgeordneten zum Sündenbock werden. Skandalträchtig scheiterte gestern die Abstimmung über das Gesetzespaket.
„Das, was hier passiert, ist eine Schande für St. Petersburg“, sagte der Abgeordnete Nikita Ananow, als er gestern den Sitzungssaal im Marinski-Palast verließ. Dem war ein wahres Affentheater vorangegangen, in dem kein Versuch unterblieb einer Abstimmung zum Gesetzespaket über die Kommunalreform auszuweichen.
Mit der Reform würde unter anderem die Preise für den technischen Unterhalt der Wohnungen etwa um ein Fünftel steigen. Hierfür war es zunächst vonnöten, die so genannte „soziale Wohnraum-Norm“ anzuheben, das heißt, jedem Petersburger auf dem Papier mehr Wohnfläche zuzugestehen. Die entsprechende Gesetzesvorlage zu dieser Maßnahme war in der gestrigen Parlamentssitzung mit Abstand die Populärste und wurde prompt angenommen.
Um die anderen drei Vorlagen wurde aber geflissentlich ein Bogen geschlagen: Denn keiner der Abgeordneten will sich in seinem Wahlkreis für zusätzliche Belastungen des eh schon mageren Budgets der Bürger verantwortlich machen. Die übliche namentliche Abstimmung würde jedoch zeigen, wer dafür und wer dagegen die Hand gehoben hat.
Die Stadtregierung selbst hat ebenso großes Interesse daran, die Befürworter und Gegner des Reformvorhabens zu kennen, meinte die Internetzeitung Fontanka.ru. Denn in den vergangenen Wochen sammelten die Beamten des Smolny fleißig Unterschriften im Stadtparlament, um der Unterstützung des Gesetzespaketes sicher sein zu können. Nun will man wissen, woran man ist.
So zeigt sich, dass um die Kommunalreform zwischen Parlament und Stadtregierung ein Konflikt entbrannt ist: Während der Smolny so schnell wie möglich unpopuläre aber nötige Reformschritte im Wohnungssektor angehen will, fürchten die Abgeordneten einen Imageverlust. Nachgeben will keine der Konfliktparteien.
Die gestrige Sitzung wurde am Abend ohne weitere Abstimmung geschlossen, weil weniger als die Hälfte der Abgeordneten anwesend und somit das 50-Prozent-Quorum nicht mehr erfüllt wurde. Bevor es soweit war, geriet die Versammlung mitunter an den Rand des Lächerlichen. In einer Woche geht die Schmierenkomödie in die nächste Runde.
(mga/.rufo)
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