 St. Petersburg. Soll die historische Innenstadt von St. Petersburg unantastbar konserviert werden, so wie sie ist? Oder haben dort auch moderne Neubauten ein Recht auf Existenz? Sollen Architekturdenkmäler in private Hände übergehen? Diese und andere kniffelige Fragen aus dem Leben der Newa-Metropole diskutierten am Dienstag bekannte Vertreter aus Politik, Kultur und Denkmalschutz.
Gegen die in letzter Zeit viel und heiß diskutierte Privatisierung von Kulturdenkmälern sprach sich bei der gestrigen Pressekonferenz in den Räumen von Interfax eigentlich keiner der illustren Podiumsgäste aus. Der Staat hat einfach kein Geld für die Restaurierung und Unterhaltung des architektonischen Erbes, das gerade in St. Petersburg so reich gesät ist. Wer sonst, wenn nicht die Geschäftswelt, könnte hier helfen?
Die Geister scheiden sich, wie üblich, an den Details. Die brennendste Frage lautet: Wie kann sicher gestellt werden, dass der neue Besitzer auch wirklich so schonend mit seinem Palast umgeht, wie es der Denkmalschutz für nötig hält? Wie können und müssen entsprechende Kontrollmechanismen aussehen? Hinter all dem steckt aber die noch viel prinzipiellere Frage – was ist eigentlich schützenswert und wo sind modernere Herangehensweisen gefragt, die alte verknöcherte Vorstellungen vom Kulturerbe ablösen könnten?
Vera Dementjewa, Leiterin des Amts für Denkmalschutz, wies auf die aktuellen Widersprüche in der Gesetzgebung hin. Einerseits gibt es bereits seit 2002 ein Gesetz, das die Überführung von Kulturgut in private Hände regelt. Ca. 120 Petersburger Objekte wurden daraufhin privatisiert. Doch eine bald darauf verabschiedete Weisung stoppte den begonnenen Prozess – erst muss föderales von lokalem Eigentum geschieden werden. Dieses neue Gesetz ist in Arbeit, besonders Petersburgs Gouverneurin Valentina Matwijenko pocht auf seinen möglichst schnellen Lauf durch die Instanzen.
Alexej Kowaljow, heute Abgeordneter der Gesetzgebenden Versammlung und zu Beginn der Perestroika einer der radikalsten Denkmalschützer der Stadt, ist besorgt um die Erhaltung des historisch gewachsenen Stadtbildes. Seiner Meinung nach herrscht völlige Anarchie beim Prozess der Genehmigung von Neubauten in der Innenstadt. So schießen dann eben moderne Dominanten in die Höhe (wie etwa das neue Konsulatsgebäude neben der Christi-Verklärung-Kirche oder das moderne Hotel an der Potschtamtskaja), die der Silhouette von St. Petersburg erheblichen Schaden beifügen.
Die Architektur-Professorin und Vorsitzende des Vereins der Petersburger Stadthistoriker Tatjana Slawina fordert ein Gesetz allein für den Denkmalschutz in der Nördlichen Hauptstadt. Die Stadt müsse als Ganzes geschützt werden. Slawina verwies aber zugleich darauf, dass Petersburg in seiner 300-jährigen Existenz „an die acht Mal radikal sein Antlitz gewechselt hat“. Natürlich müsse man das Kulturerbe schützen, aber Änderungen seien einfach unvermeidlich. So ist nun mal der Lauf des Lebens.
(sb/.rufo)
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