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25-03-2005 Politik

Blitz-Revolution führt zu Chaos in Kirgisien

Verwüstungen in Bischkek nach der Pogrom-Nacht (foto: newsru)Von Lothar Deeg, St. Petersburg. Schneller als selbst von der Opposition erwartet, ist in Kirgisien die 14 Jahre dauernde Herrschaft von Präsident Askar Akajew in sich zusammengebrochen: Demonstranten stürmten am Donnerstag den Präsidentensitz in Bischkek. Akajew setzte sich ins Ausland ab. Das Machtvakuum führte zu Plünderungen in der Hauptstadt. Tageszusammenfassung.

Was in Georgien Tage und in der Ukraine Wochen dauerte, geschah im mittelasiatischen Kirgisien innerhalb von Stunden: Die Opposition der bitterarmen Bergrepublik versammelte ihre Kräfte auf der Straße, schließlich wurden die Schlüsselstellen der Staatsmacht übernommen. Askar Akajew wurde aufgrund seiner Abwesenheit für abgesetzt erklärt. Das Oberste Gericht annullierte die vor kurzem abgehaltenen strittigen Neuwahlen, worauf das alte Parlament eine neue provisorische Regierung einsetze.

Am Freitag wurde der gemäßigte Opposionsführer Kurmanbek Bakijew zum Interims-Präsidenten ernannt. Die siegreiche Opposition ist weder radikalislamistisch, noch besonders pro-westlich oder antirussisch eingestellt. Ihre Hauptlosung ist der Kampf gegen die Korruption.

Erst am Mittwoch hatten die Anfang März im Süden Kirgisiens ausgebrochenen Unruhen auf die Hauptstadt übergegriffen. Am Donnerstag überschlugen sich dann schon die Ereignisse: Einige tausend Demonstranten, die sich auf dem Hauptplatz Ala-Too versammelt hatten, wurden von Akajew-Gefolgsleuten mit Steinen beworfen.

Straßenschlacht am Präsidentenpalast

Daraufhin kam es zu einer veritablen Straßenschlacht – und die Massen waren von einem Sturm auf den Präsidentenpalast nicht mehr abzuhalten. Die dort stationierten Sicherheitskräfte ließen alsbald den Massen ihren Lauf und verschwanden einfach. Einen Schießbefehl gab es offenbar nicht, weil Präsident Akajew die Anlage einige Zeit zuvor verlassen hatte. Dennoch forderte der Umsturz in Kirgisien nach letzten Daten 15 Tote.

Präsidenten-Absolutismus im Armenhaus

Akajew verließ umgehend das Land, das er mit seinem Clan seit über zehn Jahren beherrscht – und ausgebeutet – hatte. Alle profitablen Großunternehmen in der Goldförderung, dem Mobilfunk oder im Handel gehörten seinen Verwandten und Vertrauten – während die Bevölkerung bei einer Pro-Kopf-Wirtschaftsleistung von nur 430 Dollar pro Jahr sich vorrangig als Kleinbauern durchschlagen muss.

Obwohl Akajew weniger absolutistisch als seine Nachbarn Nasarbajew in Kasachstan, Karimow in Usbekistan oder Nijasow in Turkmenistan geherrscht und lange Zeit auch im Westen als aufgeklärte und weltoffene Seele galt, traf ihn nun die Wut des verarmten Volkes: Nach formal-demokratischen Parlamentswahlen hatte sich Akajew erst dieser Tage ein neues Taschenparlament installieren lassen.

Das Machtvakuum führte in der Nacht auf Freitag dann auch prompt zu Plünderungen und Brandschatzungen im bislang immer sehr stillen Bischkek: In der Haupt-Geschäftsstraße blieb keine einzige Schaufensterscheibe heil.

Akajew flüchtet um "Blutvergiessen zu vermeiden", Putin bietet Asyl an

Wohin sich der einstige Akademikrer Akajew abgesetzt hat, blieb unbekannt: Verschiedenen Berichten zufolge floh er ins nahe Kasachstan, da seine Familie mit der des dortigen Potentaten Nasarbajew verschwägert ist. Russlands Präsident Wladimir Putin bot Akajew Asyl in Russland an, falls dieser den Wunsch habe, zu kommen.

Akajew hat allerdings seinen Anspruch auf die Macht noch nicht aufgegeben: In einer Erklärung gegenüber der nationalen Nachrichtenagentur Kabar sprach er von einem „verfassungswidrigen Staatsstreich“ und bezeichnete seinen Auslandsaufenthalt als „vorübergehende Erscheinung“. Als die Massen das „Weiße Haus“ stürmten, habe er zur Vermeidung eines Blutvergießens sich „entgegen der Meinung einiger Ratgeber“ zum Rückzug entschlossen.


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• Wahl in Kirgisien geht in die zweite Runde (28.02.2005)
• Kirgisiens wilder Süden bedrängt Akajew (22.03.2005)
• Verhärtete Fronten in Kirgisien (23.03.2005)
• Umsturz in Kirgisien, Akajew verschwunden (24.03.2005)
• Askar Askajewitsch Akajew (24.03.2005)

Neuwahlen des Präsidenten im Juni

Rosa Otunbajewa, eine der Oppositionsführer und jetzt neue Außenministerin, kündigte für Juni Neuwahlen des Präsidenten an. Durch den Machtwechsel in Bischkek soll sich nichts an der bisherigen geopolitischen Balance ändern: Russland bleibe wichtiger stragischer Partner der Landes, erklärte sie.

Die neue Regierung versucht unterdessen, die Anarchie auf den Straßen in den Griff zu bekommen: Man appellierte an Ex-Milizionäre, sich freiwillig zum Dienst zu melden. Und was Akajew am Vortag noch vermied, wurde unterdessen von der neuen Führung erlassen: Sperrstunde und Schießbefehl – aber nur gegen Plünderer.

(ld/.rufo)


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