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Die Festung Schlüsselburg liegt auf einer kleinen Insel am Beginn der Newa (Foto: tfl/SPZ)
Die Festung Schlüsselburg liegt auf einer kleinen Insel am Beginn der Newa (Foto: tfl/SPZ)
Montag, 02.10.2006

Schlüsselburg: Festung zwischen Ladoga und Newa

St. Petersburg. Die zum Weltkulturerbe gehörende Ruine Schlüsselburg, bekannt auch als Oreschek oder Petrokrepost, ist ein völlig anderes Ausflugserlebnis als all die prächtigen Zarenschlösser rund um Petersburg.

Die Koordinaten
Anfahrt: Per Bus 576 von der Metrostation Ul. Dybenko nach Schlüsselburg, Fahrpreis: 40 Rubel, von dort Bootstransfer: 30 Rubel
Öffnungszeiten: Mai bis Oktober, täglich 10 bis 17 Uhr
Eintritt: für Ausländer 170 Rubel
Internet: www.museum.ru/M255
Bereits die Fahrt in dem überhitzten Bus über die holprige Autobahn in Richtung Murmansk eine Erfahrung wert. Nach einer 40-minütigen Reise ohne Komfort und Klimaanlage kommen wir im dem verträumten Städtchen Schlisselburg an. Die meisten Bus-Insassen sind Einheimische: Sie verschwinden eilig mit ihren Einkäufen in alle Richtungen des kleinen Ortes. Wir suchen nun den Hafen, finden stattdessen an der Newa aber nur einen kleinen Bootsanleger.

Und schon hält auch ein kleines Boot vor uns: Sechs Personen kann der kleine Kutter aufnehmen. „30 Rubel pro Person, zur Schlüsselburg“, ruft der Steuermann und hilft den Passagieren an Bord. Keuchend und dröhnend kämpft der Motor des Bootes gegen die Strömung der Newa an, die Wellen spritzen uns ins Gesicht.

Die Mauern machen einen sehr wehrhaften Eindruck ... (Foto: tfl/SPZ)
Die Mauern machen einen sehr wehrhaften Eindruck ... (Foto: tfl/SPZ)
Nach einer fünfminütigen Fahrt zwischen Hoffen und Bangen haben wir wieder festen Boden unter den Füßen. Die Anlegestelle auf der nur sechs Hektar großen Insel am Ausfluss der Newa aus dem Ladogasee scheint wie ausgestorben.

Wir entdecken ein kleines Häuschen, wo die Eintrittkarten verkauft werden. Zwischen 60 und 170 Rubel kostet es, die Burg zu besichtigen. Mit unseren ausländischen Studentenausweisen werden wir für den russischen Studentenpreis eingelassen.

Ruinen als Zeugen der Geschichte


Nun können wir durchatmen. Die frische Luft und das Zwitschern der Vögeln hier ist eine gute Abwechslung zu den Autoabgasen am Newski. Über eine Brücke über den Burggraben betreten wir die Schlüsselburg. Von außen beeindrucken die gewaltigen Mauern, doch im Burghof wird schnell klar, dass diese halbzerstörte Ruine schon seit langem den Naturgewalten ausgesetzt ist.

... während im Innern der Festung eher Ruinen das bild beherrschen (Foto: stb/SPZ)
... während im Innern der Festung eher Ruinen das bild beherrschen (Foto: stb/SPZ)
Nur wenige Menschen verlieren sich zwischen den gewaltigen Mauern, die im Verlauf der Geschichte in der Hand verschiedener Nationen waren. Die Burg zählte 1299 zum Besitz der Schweden. Doch bereits 24 Jahre später, als die Machtverhältnisse und somit die Grenzverläufe zwischen Russland und Schweden neu geklärt wurden, kam die damals Oreschek genannte Festung unter die Herrschaft Russlands.

Mit der Zeit wuchs die Burg, es wurden steinerne Mauern und Türme angelegt. Im 17. Jahrhundert fiel die Festung nach neunmonatiger Belagerung erneut an Schweden, um im Großen Nordischen Krieg unter Peter dem Großen 1702 wieder zurück erobert zu werden. Erst der Gründungsvater Petersburgs gab der Burg ihren heutigen, deutsch klingenden Namen Schlüsselburg (im russischen: Schlisselburg) – zum Ausdruck ihrer Schlüsselstellung bei der Eroberung des russischen „Fensters nach Westen“.

In den nächsten zwei Jahrhunderten wurde in der Burg eines der wichtigsten Gefängnisse Russlands eingerichtet: Sie wurde zur „russischen Bastille“. Relikte davon sind noch heute zu sehen. So kann der Besucher Gefängniszellen betrachten - und vor jeder Tür hängt je ein Bild eines prominenten Gefangenen, der hier eingekerkert war.

Von Schlüsselburg zur Petrokrepost und wieder zurück


Während der Belagerung Leningrads war die mächtige Festung erneut umkämpft. Die Wehrmacht verschanzte sich auf der frontnahen Insel. Erst nach 500 Tagen konnte die Schlüsselburg von der Roten Armee zurückerobert werden. Die verbissenen Kämpfe um die Festung haben offensichtliche Spuren hinterlassen. Nach dem Zweiten Weltkrieg erhielt die Festung den weniger deutsch klingenden Namen „Petrokrepost“ (Peterfestung) – der aber 1992 wieder annulliert wurde.

Ein Orientierungspunkt in der Festung (Foto: tfl/SPZ)
Ein Orientierungspunkt in der Festung (Foto: tfl/SPZ)
Wer dem Anblick der Ruinen für eine Weile entfliehen möchte, kann am Ufer des Ladogasees die Beine im Wasser baumeln lassen oder einfach nur den Ausblick über den größten Binnensee Europas genießen. Wir stapfen weiter durch das hohe Gras. Informationstafeln auf Russisch und Englisch geben Erläuterungen zur Geschichte der Festung hin. Eine Kirchenruine inmitten der Anlage wird heute als Denkmal für gefallene russischen Weltkriegssoldaten genutzt.

Im sanierten Teil der Schlüsselburg ist eine Treppe zu erklimmen und man kann ein bisschen auf den Spuren der Burgbewohner wandeln. Verschlossene Türen halten die Einheimischen dabei nicht davon ab, alles genaustens zu inspizieren: Mauern werden erklommen und zerfallene Gänge begangen.

Nach zwei abwechslungsreichen Stunden stehen wir wieder an der Anlegestelle und warten auf den Transport zurück ans Festland. Ein braungebrannter Skipper holt uns mit dem Boot ab. Mit einem freundlichen „Auf Wiedersehen“ verabschiedet er sich von uns. Auch der Bus lässt nicht lange auf sich warten – doch diesmal gönnen wir uns in einem nahem Lebensmittelladen vor der Abfahrt des Busses noch ein Eis als Klimaanlagen-Ersatz.

(Stefanie Barth/SPZ)



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