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Geschickt laviert ist halb gewonnen. Viktor Janukowitsch, Präsident der Ukraine (Foto: newsukraine.com.ua))
Geschickt laviert ist halb gewonnen. Viktor Janukowitsch, Präsident der Ukraine (Foto: newsukraine.com.ua))
Mittwoch, 18.12.2013

Wie Kiew erst Brüssel und dann Moskau erpresst, mit Erfolg

Gisbert Mrozek, Moskau. Als ich las, dass Putin die Notlage der Ukraine schamlos ausgenutzt habe, fielen mir spontan einige eigene Notlagen ein, in denen sich leider niemand fand, der sie schamlos ausnutzte und mir einen Grosskredit gewährte.


Nun kann es natürlich sein, dass Frank Walter Steinmeier Erkenntnisse darüber hat, dass der Kredit an Bedingungen geknüpft ist, die wirklich die Bezeichnung schamlos oder etwas ähnliches verdient haben.

Den Verdacht äusserten auch schon andere. Vitali Klitschko hat erklärt, Janukowitsch habe vermutlich für den 15-Milliarden-Dollar (10,9 Mrd Euro) Kredit ukrainische Grossbetriebe und sonstiges Tafelsilber verpfändet. Vielleicht so, wie Weissrussland gegenüber Gazprom. Das kann sein, aber vorzeigbare Belege dafür gibt es offensichtlich nicht. Klitschko zeigte sie jedenfalls nicht vor.

Das macht die Kritik an der Moskauer Erpressung schwierig. Sie wird sich wohl nicht mehr lange halten lassen. Denn es wäre ja wirklich ein historischer Sonderfall von Erpressung, wo der Erpresser seinem armen Opfer nicht nur einen Grosskredit gewährt, sondern auch noch die Gaspreise um ein Drittel reduziert und ein ganzes Bündel hochkarätiger Industrieverträge überreicht.

Diese Sorte von Erpressung würde der EU oder dem IWF nie in den Sinn kommen. Und hier liegt auch das Problem. Denn in Wirklichkeit hat nicht Putin Janukowitsch erpresst, sondern der eigentliche Übeltäter ist Janukowitsch, der versucht hat, erst die EU und dann Putin zu erpressen (oder andersrum). Mal nach Westen schöne Augen machen, dann mal wieder nach Osten kokettieren, nie eine richtige Entscheidung treffen ... typisch ukrainisch.

Nur hat sich Putin schneller als die EU entschieden, sich erpressen zu lassen. Das hat mehrere Ursachen. Zum einen ist die EU gerade nicht für schnelle Entscheidungen bekannt. Zum zweiten hat die Ukraine für die EU nicht das riesige Gewicht, dass sie für Russland hat. (siehe Kiewer Rus, das Zarenreich und Zbigniew Brzezinski, der als US-Präsidentenberater die Position vertrat, dass es die Hauptaufgabe der US-Politik sei, die Ukraine von Russland zu trennen)

Für die EU wäre es natürlich schön gewesen, das EU-Gebiet "für umsonst" durch eine assoziierte Ukraine zu arrondieren. Im Assoziierungsvertrag, der interessanterweise m.E. nirgendwo veröffentlich wurde (zumindest bezieht sich in der Diskussion kaum jemand auf dessen Inhalte), wurde der Ukraine zwar abverlangt, die Grenzen für EU-Waren zu öffnen und sich auch den EU-Normen anzupassen, im Gegenzug wurde der Ukraine aber noch nicht einmal Visafreiheit angeboten.

Dies vermutlich in weiser Voraussicht, denn die wirtschaftspolitischen Konditionen der Assoziierung hätten zum Bankrott der ukrainischen Wirtschaft und zu einer sozialen Katastrophe geführt - in deren Folge eine neue Immigrationswelle die EU überschwemmt hätte, hätte man zugleich Visafreiheit eingeführt.

Für die EU waren vermutlich die ukrainischen Resourcen interessant - Schwarzerdeböden für die Agrokonzerne, Krim-Kurorte, Kohle für die Polen, Ingenieure für die EU-Wirtschaft - aber von dem, was den Ukrainern lieb und teuer ist, wäre wohl wenig übriggeblieben. Ex-sowjetischer Maschinenbau, Flugzeugbau und Rüstungsindustrie, die vor allem in der Ostukraine liegen, wären für die EU sowieso nur interessant, insofern sie von der Bühne verschwinden.

Das hätte man wohl in Brüssel und Berlin gerne "mal schnell" mitgenommen. Aber für diese Arrondierung war die EU aber anscheinend nicht bereit, zu zahlen, was Janukowitsch und die machthabende Elite dafür forderten. Also schlug Putin zu und "kaufte sich die Ukraine". Putins Erpressung kann man das nur schwerlich nennen.

Putins Problem (und das von Janukowitsch) ist nur, dass "die Ukraine" aus zwei miteinander immer weniger kompatiblen Hälften besteht. Die Menschen im Westen, auf dem rechten Ufer des Dnjepr, der traditionell katholisch ist und früher mal zu Polen-Litauen oder auch zur Östereich-Ungarn gehörte, wollen sich nun mal partout nicht auf das verhasste Moskau orientieren. Auch nicht, wenn ihnen dies von Kiew verordnet würde und Putin dafür zahlt. Der Mensch lebt eben nicht nur vom Brot allein.

Wenn man sich Karten anschaut, auf denen regionale Sprach- und Religionszugehörigkeit zu erkennen ist, auf den die historischen Grenzen Polen-Litauens und die Wahlergebnisse der vergangenen 10 Jahre verzeichnet sind, erkennt man erstaunliche Übereinstimmung. Der Dnepr trennt ziemlich genau die beiden Hälften der Ukraine.

Das sind Fakten, die weder "in Brüssel" noch in Moskau zu ignorieren sind. Entweder einigt man sich darauf, die Ukraine als Brücke zwischen Ost und West zu belassen (auch wenn sich das im nicht besonders sympathischen Janukowitsch oder seinesgleichen personalisiert), oder man versucht, die jeweils andere Hälfte der Ukraine zu ihrem Glück zu zwingen. Es ist nicht besonders wahrscheinlich, dass Klitschko zum alles vereinenden ukrainischen Nationalheld wird, auch nicht mit Hilfe der Konrad-Adenauer-Stiftung.

Früher oder später wird das ukrainische Dauerdrama sich wohl dadurch lösen, dass sich die unversöhnlichen Hälften Ost und West entlang des Dnepr voneinander trennen. Das kann eine föderative oder kon-föderative Lösung mit gemeinsamer Hauptstadt in Kiew sein. Das auch kann eine Zwei-Staaten-Lösung sein, wie im Falle der Tschechoslowakei. Das kann friedlich verlaufen oder auch nicht, bzw gar nicht friedlich.

Wozu reicht die politische Weisheit in Moskau, Kiew, Berlin und Brüssel?

PS.: Übrigens bestehen die Ukrainer darauf, dass es heissen muss "v Ukraine" und nicht "na Ukraine", wie einige Russen sagen. Da sich der Name "Ukraine" treffend ins Deutsche übersetzen lässt mit "Randgebiet", muss es also korrekt heissen "im Randgebiet" und nicht "auf dem Randgebiet".



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Paulsen-Consult 19.12.2013 - 22:20

Ich glaube,

die EU hat mindestens einen gewaltigen Fehler in letzter Zeit gemacht. Sie hat Putins Vorschlag für Dreiergespräche über die Ausrichtung der Ukraine ignoriert.Damit hat sie nicht nur eine Polarisierungs-Politik fortgesetzt, die völlig unsinnig ist, sondern vor allem eine realistische Chance vergeben, als wichtiger Partner für die Ukraine im Spiel zu bleiben. Denn nüchtern betrachtet haben die Ukrainer mit einer Russlandanbindung im Rahmen der Zollunion angesichts der ständigen Existenzangst der Bevölkerung, die von der Hand in den Mund lebt, noch eher eine Chance, besser zu leben und einen erneuten soziökonomischen Schock zu vermeiden, als mit der EU, die sie direkt in den besagten Schockkapitalismus hineintreiben möchte.


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