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Freitag, 19.08.2005

Moskau: Mama auf dem Straßenstrich

Moskau. Es ist eine ungewöhnliche, einträgliche aber nicht ungefährliche Arbeit. Die Mama kümmert sich um eine kleine Gruppe von Frauen. Vom Wecken bis zum Vermarkten an der Straße reicht das Aufgabenspektrum.

Spitzname Oxana. Eine junge hübsche Frau, der niemand ansieht, womit sie ihr Geld verdient hat. Nach der Schule zog sie aus Sibirien nach Moskau zum Studieren, sagt sie. Moskau ist Prestige, Moskau ist cool, in Moskau gibt es alles, was das Leben versüßt. Aber Moskau ist vor allem eines: teuer. Aber es gibt kein Zurück.

Das Image der Familie zuhause in Sibirien stieg deutlich, seit die Tochter in der Hauptstadt studierte. Wer da lebt, so glauben die Leute weit ab in der Provinz, der hat es geschafft. Eine Rückkehr wäre peinlich und langweilig.

Oxana sucht sich ein Zimmer. Ein ganz normales Haus, viele Stockwerke, viele Leute. Vor dem Haus trifft man immer Leute und so lernt sie zwei Mädels in ihrem Alter kennen. „Ich studiere und was macht ihr?“ - „Wir gehen anschaffen.“

„Ich studiere und was macht ihr?“ - „Wir gehen anschaffen.“

Das war keine Überraschung. Was Armut und Prostitution ist, wusste sie von zu Hause. In notorisch strukturschwachen Regionen eine realistische Möglichkeit, Geld für das Nötigste zu verdienen.

In der Waagerechten lässt sich das landesweite Durchschnittseinkommen von 7.712 Rubel (220 Euro) schnell und ohne viel Aufwand übertreffen. Für Oxana ist das aber trotzdem nicht das Richtige.

Nachdem die drei Mädels zusammengezogen waren - um Miete zu sparen -, lernt Oxana den „Manager“ der Freundinnen kennen. Er ist davon überzeugt, dass sie Organisationstalent hat, sich durchsetzen kann und mit beiden Beinen fest auf dem Boden steht. Und also stimmte sie zu, als „Mama“ zu arbeiten.

Moralische Bedenken und ethische Bedenken hat sie nicht. Das Leben ist interessant und teuer. Geld zählt. Möglichst viel Geld ohne großen Aufwand zu verdienen.

Der Big Boss hat 300 Frauen laufen

Als sie anfing, gab es den Straßenstrich auf der Leningradski Chaussee noch. Der Big Boss dort hatte auf der Strecke zwischen vier Metrostationen 300 Frauen stationiert. Aufgeteilt in „Stützpunkten“ zu je sechs, sieben oder acht Frauen.

Bei Russland-Aktuell
• Prostitution in Moskau: Fünf Millionen Dollar am Tag (10.11.204)
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• Petersburgs Prostituierte sind am gefährlichsten (06.02.2004)
Die neue Mama kommandiert einen Stützpunkt

Der letzte Stützpunkt stadtauswärts war ihrer. Betreuerin für sieben Mädels, die in einer kleinen Zweizimmerwohnung aufeinander hockten und warteten. Küche, Bad, Betten und ein Fernseher mitten im Zimmer auf dem ausgelatschten Parkett aus Sowjetzeiten.

Die Wohnungen waren nie Luxus. Immer zu klein und die Einrichtung zusammengestückelt aus alten schäbigen Möbeln und Matrazen. Vom Sperrmüll, würde man in Deutschland wohl sagen. Auch in diesem Gewerbe spart der Unternehmer auf der Ausgabenseite...

Zum täglichen Ritual in der Wohnungsödnis gehörte der Film Pretty Woman. Der Prinz, der dich Retten kommt. Manchmal auch mehrmals täglich, je nach Stimmung. In der Vorstellung der Mädels sollte der Prinz auf jeden Fall aus Moskau kommen, goldene Kettchen tragen und einen weißen Mercedes fahren.

Alle warten wie Pretty Woman auf den Prinz – aber der will nur eine Gratis-Tour

Erfüllt hat sich der Traum aber für keine, soweit Oxana weiß. Das einzige was immer mal passiert ist, dass ein Mädel auf einen Typen reingefallen ist, der ihr alles versprochen hat. Spätestens nach einem Monat war dann meist klar, dass es dem Prinzen nur darum ging, „das eine“ gratis zu bekommen.

Beliebte Alternative zu Pretty Woman waren Musiksender. Mus-TV. Bücher oder andere lesbare Sachen gab es in der Bude sowieso nicht. Die jungen Frauen kamen meistens aus der Ukraine, oder auch aus Russland oder Weißrussland. Sie waren aus ländlichen Gegenden, in denen es nichts zu tun gibt, aus einfachsten Verhältnissen.

Wer zuhause in der Ukraine eine normale Arbeit findet, kann dort mit einem Lohn von 100 Dollar rechnen. Das motiviert natürlich nicht. Das Leben auf dem Land ist hart und nichts für faule Leute, die Anpacken scheuen.

„Bedienung in Moskau gesucht“

So scheinen Anzeigen, wie „Bedienung in Moskau gesucht“ verlockend. Der Traum von Geld und der Stadt, in der das Leben tobt, ziehen unwiderstehlich nach Moskau. Oxana erklärt, dass 80% der Mädchen von Anfang an wissen, worum es geht. Nur wenige sind wirklich überrascht, wo sie landen. Diese arrangieren sich aber damit in der Hoffnung vom Prinzen, dem großen Geld und dem Großstadtleben.

Gegen Zwölf Uhr Mittags ist Wecken angesagt. Oxana muss die Frauen aus dem Bett holen. Wenn am späten Nachmittag der Betrieb losgeht, nämlich wenn die ersten frustrierten Männer von der Arbeit nach Hause fahren, darf keine Frau verschlafen aussehen.

Beauty-Check bevor es an die Arbeit geht

Bevor es an die Arbeit geht, macht die Mama einen Beauty-Check. Sexy Klamotten, gut geschminkt und vor allem frisch gewaschen? In diesen Punkten unterscheiden sich die Geschmäcker auf dem Land von denen der weltmännischen Moskauer. Wenn Oxana heute etwas verkaufen will, muss sie darauf achten, dass alles stimmt.

Dann geht es an die Arbeit. Die Mama stellt sich an die Straße und wartet auf einsame Autofahrer. Das Verkaufsgespräch ist einfach. Natürlich hat sie die schönsten Mädchen. Alle noch Anfänger. Die hässlichen gibt es bei den Kolleginnen. Das erzählen alle Mamas.

(khs/.rufo)

(Fortsetzung folgt in der nächsten Woche)


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