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A. Belowa (Foto: Russisches Eisenbahnministerium)
A. Belowa (Foto: Russisches Eisenbahnministerium)
Montag, 26.05.2003

Vom Ministerium zur Aktiengesellschaft

Von Karsten Packeiser, Moskau. Die Reform der russischen Eisenbahnen geht in die entscheidende Runde. Mit dem Inkrafttreten eines neuen Eisenbahngesetzes am 18. Mai kann die Gründung der staalichen Bahn-AG „OAO Rossijskije Zhelesnyje Dorogi (RZD)“ eingeleitet werden. Das mächtige Moskauer Eisenbahnministerium will sich schrittweise überflüssig machen. „Wir verstehen, dass das Ministerium noch so lange bestehen wird, bis die AG effektiv arbeitet“, erklärte die für die Reform zuständige Vizeministerin Anna Belowa vor Journalisten in Moskau.

Bereits Ende September könnten die Strukturen der OAO RZD funktionsfähig sein, so Belowa. Das Grundkapital des Riesenkonzerns wird voraussichtlich etwa 1,6 Trillionen Rubel (43 Milliarden €) betragen. Etwa 1.000 von derzeit 2.046 dem Ministerium unterstellten Betrieben und Organisationen werden Teil der OAO RZD. Die übrigen werden entweder regionalen Behörden abgetreten, direkt privatisiert oder verbleiben vorerst beim Ministerium. Die Risiken, dass ausgegliederte Betriebe bankrott gingen, sei minimal.

Ende des Jahres werde die neu gegründete AG damit beginnen, Steuern zu zahlen, kündigte der Ministeriumssprecher Boris Lapidus an. Die ersten Aktien der russischen Eisenbahn könnten bereits 2005 an der Börse gehandelt werden. Welches Schicksal auf das Eisenbahnministerium wartet, ist noch nicht entschieden. Als wahrscheinlich gilt eine Zusammenlegung mit dem Verkehrsministerium.

Ziel der russischen Eisenbahnreform ist es, überall dort, wo es in der Branche möglich ist, den Wettbewerb konkurrierender Anbieter zuzulassen. Der Staat, der zurzeit noch sowohl Kontroll- und Gesetzgebungsfunkionen im Bahnverkehr ausführt, als auch die wirtschaftliche Tätigkeit der von Korruption und Filz durchsetzten russischen Bahn organisiert, soll sich auf seine eigentlichen Aufgaben beschränken. Der Einzug marktwirtschaftlicher Mechanismen soll Gütertransporte billiger machen und dadurch die Wettbewerbsfähigkeit der russischen Industrie insgesamt fördern. Der bislang notorisch Verlust bringende Personenverkehr soll zukünftig nicht mehr durch die Einnahmen aus den Gütertransporten subventioniert werden.

Auch soll die Reform dazu dienen, die notwendigen Mittel in Millionenhöhe zu akkumulieren, die zur Erneuerung der größtenteils veralteten Technik und zur Rekonstruktion vieler tausender Gleiskilometer benötigt werden. Bereits im laufenden Jahr will die Eisenbahn umgerechnet 2,36 Milliarden € bzw. drei Viertel ihres gesamten Investitionsprogramms für den Kauf neuer Waggons und Lokomotiven verwenden.

Bei Russland-Aktuell
• Russische Eisenbahn: Staat im Staat
Anders, als in anderen europäischen Ländern, solle die Staatskasse durch die russische Eisenbahnreform jedoch nicht zusätzlich belastet werden, erklärte Anna Belowa. Bedingt durch die gute Binnenkonjunktur, steigende Exporte russischer Rohstoffe und die zunehmende Attraktivität Russlands als Transitland für Gütertransporte zwischen Ostasien und Europa konnten die russischen Eisenbahnen ihren Umsatz in den vergangenen Monaten um zehn Prozent im Vergleich zum jeweiligen Vorjahreszeitpunkt steigern.

Dadurch gelang es nach Angaben von Vizeministerin Belowa, die Schuldenlast der Eisenbahn auf eine Summe von 41 Milliarden Rubel (1,17 Milliarden €) reduzieren. Um ohne staatliche Subventionen auszukommen, konnte das Ministerium seinerseits durchsetzen, dass ein großer Teil der gewinnbringenden Fremdbeteiligungen, etwa an Baufirmen oder Schwarzmeer-Sanatorien nicht aus der neuen Eisenbahn AG ausgegliedert wird. „Diese Geschäftsfelder brauchen wir im Moment, um die Reform zu finanzieren“, erklärte Anna Belowa.

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An der Eisenbahnreform hatten bereits seit Anfang der 90er Jahre alle russischen Regierungen gearbeitet. Die oppositionellen Kommunisten hatten alles daran gesetzt, die Reform zu verhindern, die sie als „Ausverkauf“ von Volkseigentum werteten. Auch der Generalstab äußerte Befürchtungen, durch eine Privatisierung der Eisenbahn, über die in Russland die Mehrzahl aller Militärtransporte abgewickelt werden, könne die Verteidigungsfähigkeit Russlands beeinträchtigen.

Die gesetzlichen Grundlagen für die Arbeit privater Gütertransport-Anbieter sollen nach Angaben des Eisenbahnministeriums bis Ende des Jahres vorliegen. Eine starke Konkurrenz zur OAO RZD erwarten die Moskauer Beamten allerdings vorerst nicht. Einzelne Firmen könnten aber durchaus für den Markteintritt bereit sein, heißt es im Ministerium.

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