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Neues Straßenschild in Kasan (Foto: Packeiser/rUFO) |
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Freitag, 26.07.2002
Russen und Tataren streiten um die richtige SchriftVon Karsten Packeiser, Kasan. Die ersten Straßenschilder sind bereits ausgewechselt und tragen die neue Schrift. In einigen Grundschulen links und rechts der Wolga lernen Abc-Schützen eine neue Rechtschreibung, die selbst ihre Lehrer noch nicht richtig beherrschen. Die autonome russische Teilrepublik Tatarstan hat beschlossen, die tatarische Sprache in Zukunft mit lateinischen anstelle von kyrillischen Buchstaben zu schreiben.
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(Foto: Buntukow/Tatarstan Jaschlere/rUFO) |
Die Schriftreform soll helfen, die Barrieren zwischen der Wolgarepublik und Europa sowie der kulturell und sprachlich verwandten Türkei abzubauen. Die Zentralregierung in Moskau sieht dagegen mit der Abschaffung des kyrillischen Alphabets den Zusammenhalt Russlands gefährdet.
Rasil Walejew, im Staatsrat der Republik Tatarstan für Bildung und Wissenschaft zuständig, sitzt in seinem Arbeitszimmer unter einem Gemälde, das Kasan vor der Eroberung durch die Russen zeigt. Das kyrillische Alphabet passt uns nicht, fasst er die Meinung tatarischer Sprachwissenschaftler zusammen.
Die russischen Buchstaben seien für türkische Sprachen wie das Tatarische denkbar ungeeignet. Die Führung in Kasan werde daher an ihren Plänen zur Latinisierung der Republik auf jeden Fall festhalten, sagt Walejew. Die Zeiten sind vorbei, in denen Moskau alles diktieren konnte. Der Übergang ist nicht zu stoppen.
Die Moskauer Staatsduma reagierte mit einiger Verspätung, aber dafür umso energischer auf die Initiative der Tataren. Nach einer Änderung des russischen Sprachengesetzes ist es den Völkern der autonomen russischen Teilrepubliken in Zukunft verboten, ohne ausdrückliche Erlaubnis aus Moskau eine andere Schrift als die kyrillische zu verwenden.
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Im Internet |
Das neue tatarische Alphabet
Das alte tatarische Alphabet
Offizielles Infoportal Tatarstan (RUS E)
Die Sprachen der Völker Russlands
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Der Druck aus Moskau hat die Tataren nur in ihrer Politik bestärkt. Natürlich haben wir Angst, Abonnenten zu verlieren, wenn wir auf lateinische Schrift umsteigen, meint Minnasym Safarow von der tatarischsprachigen Zeitung Tatarstan Jaschlere. Dennoch befürwortet er das neue Alphabet: Der Übergang wird schließlich innerhalb eines Jahrzehnts erfolgen und nicht von heute auf morgen durchgepeitscht. Safarows Blatt verlangt den Lesern einiges ab: Immerhin steht der Zeitung schon die dritte Alphabetsreform seit ihrer Gründung vor etwa 80 Jahren bevor.
Damals schrieben die Tataren ihre Sprache noch mit arabischen Buchstaben. Ende der 20er Jahre stellten alle muslimischen Völker der Sowjetunion auf die lateinische Schrift um, nur ein Jahrzehnt später übernahmen sie die kyrillische. Diktator Stalin erlaubte lediglich Georgiern und Armeniern, ihre weltweit einmaligen Schriften zu verwenden. Nach dem Anschluss der baltischen Staaten durften außerdem Litauer, Letten und Esten weiter lateinische Buchstaben schreiben. In den 90er Jahren kehrten schließlich mehrere GUS-Republiken zur lateinischen Schrift zurück.
Ein Sprachengesetz, wie das jetzt in Moskau verabschiedete, gab es jedoch selbst unter Stalin nie. Die Duma-Entscheidung wurde deshalb in Tatarstan als beispiellose Erniedrigung aufgenommen. Iwan der Schreckliche hat die Hälfte der tatarischen Bevölkerung ausgerottet, aber selbst er hat uns nicht vorgeschrieben, welche Buchstaben wir verwenden sollen, schimpft der tatarische Duma-Abgeordnete Fandas Safiullin.
In zwei Gutachten habe selbst die Rechtsabteilung des russischen Parlaments das neue Gesetz wegen diverser Verstöße gegen die Verfassung und andere geltende Gesetze abgelehnt, sagt er. Was die Abgeordneten nicht davon abhielt, das Gesetz fast einstimmig anzunehmen.
Die Moskauer Befürchtungen, das neue Alphabet könnte der erste Schritt zur völligen Abspaltung des muslimischen Volkes von Russland sein, hält Safiullin für absurd. Während des Zweiten Weltkrieges haben viele tatarische Soldaten ihre Briefe an die Familie in lateinischer Schrift geschrieben, sagt er. Deswegen haben sie ihr Vaterland nicht schlechter verteidigt als die Russen. (epd).
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Der Winter ist eingezogen. Für ein paar Monate können sich die Russen in den Moskauer Parks an zahlreichen Eisskulpturen erfreuen. (Topfoto: Ballin)
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