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Gewaltige Stürme haben im vergangenen Jahr mehrere Schiffe im Schwarzen Meer versenkt - auch wegen mangelnder Sicherheitsmaßnahmen (Foto: TV) |
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Schwarzes Meer: Sicherheitsrisiko und KooperationsfeldRostow am Don. Jedes Jahr von neuem bereitet der strenge russische Winter den Häfen am Schwarzen Meer Riesenprobleme. Zu Anfang dieser Wintersaison war die Lage besonders kompliziert. Eine Momentaufnahme:
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Es herrscht Eiszeit in Südrussland. Der strenge Winter hat zahlreiche Häfen im Schwarzen und Asowschen Meer stillgelegt. Das hat fatale Folgen für den Gütertransport. Denn nichts geht mehr. Vor den russischen Häfen haben sich lange Staus gebildet.
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Insgesamt 66 Güterzüge stehen inzwischen auf dem Abstellgleis und warten auf ihre Entladung. Die Eisenbahn beklagt massive Verluste, die sie von den Empfängern teilweise wieder einklagen will. Für die überlange Nutzung der Waggons haben wir allein im Januar Rechnungen von 9,4 Mio. Rubel (knapp 300.000 Euro) ausgestellt, erklärte der Direktor der Südrussischen Eisenbahn, Wladimir Goloskokow.
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Häfen stehen still, Schiffe haben Hausarrest
Unterdessen wird der Schwarze Peter für die Verzögerungen munter weiter geschoben. Die Häfen nehmen die per Zug eintreffenden Güter nicht an, weil die Lager praktisch voll sind. Derzeit haben wir 220 t Güter im Lager. Wenn sich die Verladesituation nicht normalisiert, kommt der Hafen von Asow vollständig zum Erliegen, erklärt Hafendirektor Gennadi Grebenjukow. Seinen Angaben zufolge fielen die Verladezahlen von 220 t im Dezember auf 76 t im Januar. Im Februar wurde selbst diese Ziffer unterboten.
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Schuld am Verladeproblem ist das Defizit an Schiffen. Viele Frachter hatten im Winter Hausarrest. Wegen des stellenweise 2,5 Meter dicken Eises in der Meerenge von Kertsch durften Schiffe, die älter als 30 Jahre sind, nicht auslaufen aus Sicherheitsbedenken. Das Durchschnittsalter der russischen Flottille liegt allerdings nach Angaben von Verkehrsminister Igor Lewitin bei über 26 Jahren. Die ukrainische und georgische Handelsmarine sind nicht jünger.
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Also warteten die alten Schiffe auf gutes Wetter oder Eisbrecher, die ihnen den Weg bahnen sollen. Doch Sonne und Eisbrecher ließen in diesem Winter in den meisten Häfen lange auf sich warten. Zwar soll die Eisbrecherflotte nach Angaben des Leiters der russischen Schifffahrtsbehörde, Alexander Dawydenko, innerhalb der nächsten fünf Jahre modernisiert und aufgestockt werden, doch zunächst einmal blieb den Spediteuren nichts anderes übrig, als Verluste zu zählen.
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Die Probleme sind nicht neu. Jahr für Jahr haben die Häfen in der Region im Winter Schwierigkeiten beim Umschlag. Doch in diesem Jahr ist die Lage besonders kompliziert auf Grund der vorangegangenen Herbststürme, denn erst danach wurde den veralteten Schiffen konsequent die Ausfahrt bei Eisgang verwehrt.
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Schiffe versenken im Schwarzen Meer
Im November 2007 tobten die heftigsten Unwetter seit 30 Jahren in der Region und sie haben die Anrainerstaaten des Schwarzen Meeres völlig unvorbereitet getroffen. Bei dem bis zu sieben Meter hohen Wellengang in der Meerenge von Kertsch gingen fünf Schiffe unter, weitere zehn wurden schwer beschädigt. Der alte Öltanker Wolgoneft-139 war das erste Opfer. Das in der Meerenge vor Kertsch liegende Schiff brach bei dem Sturm regelrecht auseinander. Auf dem russischen Frachter Nachetschiwan kamen sogar acht Seeleute ums Leben.
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Der Sturm hat zudem die wohl schwerste Umweltkatastrophe in der Geschichte des Schwarzen Meeres hervorgerufen. Mehrere Tausend Tonnen Schweröl und Schwefel sind ausgelaufen laut Oleg Mitwol, Vizechef der russischen Umweltbehörde, werden die Folgen noch jahrelang zu spüren sein. Nikolai Besirganin, Direktor des staatlichen Fischfangkomitees für das Schwarze und Asowsche Meer, schätzt den Schaden auf umgerechnet 8,7 Mrd. Euro.
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Die Katastrophe hat ein Schlaglicht auf die Sicherheitssituation im Schwarzen Meer geworfen. Sogar im russischen Verkehrsministerium wurde laute Kritik geäußert. Diese hat sich nach dem Untergang eines bulgarischen Frachters kurz nach Neujahr weiter verstärkt.
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Sicherheitsmängel und Streit um eine Meerenge
Gleich eine ganze Reihe von Sicherheitsmängeln waren neben den schweren Wetterbedingungen schuld an der Katastrophe im November. Mangelnde Einhaltung der Sicherheitsvorschriften von Seiten der Besitzer, fehlende Erfahrung von Schiffsoffizieren im Seeverkehr, Verletzung der Aufsichtspflicht durch Hafenämter und Schiffsregisteramt.
Das größte Problem dabei scheint jedoch der rechtlich ungesicherte Status der Meerenge von Kertsch zu sein.
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Grenzstreit als Sicherheitsproblem
Seit Jahren streiten Moskau und Kiew um die Grenzziehung in dieser viel befahrenen Wasserstraße. Während Russland eine Teilung entlang der Wasserlinie bevorzugt, besteht die Ukraine auf einer Grenzziehung entlang des Meeresgrunds. Bis heute konnte noch keine endgültige Einigkeit erzielt werden. Immerhin soll nun eine Expertengruppe verstärkt nach einer Lösung suchen.
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Denn so ungeklärt wie die rechtliche Zugehörigkeit der Meerenge war, waren es auch die Kompetenzen und Pflichten der Anrainerstaaten. Unwetterwarnungen sollen unvollständig weitergegeben worden sein. Die Einfahrtserlaubnis ins relativ ruhige Asowsche Meer verweigerten ukrainische Behörden. Zudem wirft das russische Verkehrsministerium der ukrainischen Seewacht mangelnde Kontrolle über Umschlagarbeiten in der Meerenge vor.
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Bedeutung der Straße von Kertsch
Die Meerenge von Kertsch ist das berühmte Nadelöhr, durch das pro Jahr über 10.000 Frachter müssen. Jährlich werden hier 250 Mio. t Güter hindurch geschifft. Schon seit der frühen Antike findet ein reger Seehandel in der Region statt. Wurden vor 2.500 Jahren vor allem Getreide, Fisch und Felle sowie Wein und Olivenöl transportiert, ist ein Großteil der modernen Frachter mit Öl an Bord unterwegs.
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Das aus der Kaspiregion stammende Öl wird in kleinen Schiffen über Wolga und Don ins flache Asowsche Meer befördert. In der Straße von Kertsch muss es dann in ozeantaugliche Tanker umgeladen werden. Täglich stauen sich vor dem Eingang der Meerenge im Schwarzen Meer 50 Tanker und andere Handelsschiffe. Bei Unwetter sind diese Schiffe nahe der Küste natürlich besonders gefährdet.
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Für die Ukraine ist die Schwarzmeerregion die einzige, für Russland die wichtigste Schifffahrtsverbindung. Über die insgesamt acht Häfen der Region wickelt Russland fast 40 Prozent seines Seehandels ab. Der Hafen Noworossisk (2006: 113 Mio. t Güter) schlägt mehr Güter um als St. Petersburg, Murmansk oder Wladiwostok. Schon jetzt kann der Hafen prinzipiell alle Güter abfertigen. Der im Ausbau befindliche Containerterminal von Noworossisk soll die Kapazität des Ports noch erweitern. Im Jahr 2010 können hier 500.000 TEU umgeschlagen werden.
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Pläne für die Schwarzmeerregion
Der Warenumsatz in der Schwarzmeerregion steigt. Russland will Teile seines Chinahandels über die Schwarzmeerhäfen abwickeln. Bislang kamen die Güter vor allem über die baltischen Ostseehäfen nach Moskau. Auch die Ukraine ist an einem solchen Modell interessiert. Die Häfen werden dementsprechend weiter ausgebaut.
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Zudem gibt es das milliardenschwere Projekt der Schwarzmeerautobahn. Die 7.140 Kilometer lange Trasse soll in beide Richtungen vierspurig werden und den Handel und Transport zwischen den Mitgliedsstaaten der Schwarzmeer-Kooperation vereinfachen. Auf der geplanten Route der Ringautobahn liegen u.a. Istanbul, Bukarest, Chisinau, Odessa, Mariupol, Taganrog, Noworossisk und Batumi. Die bessere Anbindung an das Straßennetz dürfte dem Schiffsverkehr in der Region weitere Impulse geben.
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Allerdings kann der Erfolg der Region dauerhaft nur gesichert werden, wenn die Sicherheitsstandards der Seefahrt im Schwarzen Meer deutlich verbessert werden. Dazu ist die klare Abgrenzung von Kompetenzen innerhalb der Anrainerstaaten genauso notwendig wie Investitionen in ein funktionierendes Navigationshilfe- und Rettungssystem. Dass sich diese Kosten rentieren, steht außer Zweifel.
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