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Der einmalige Naturraum des Baikalsee soll vom Pipeline-Bau verschont bleiben (foto: ld/rufo)
Der einmalige Naturraum des Baikalsee soll vom Pipeline-Bau verschont bleiben (foto: ld/rufo)
Donnerstag, 27.04.2006

Bürgerproteste und Putin stoppen Baikal-Pipeline

Moskau. In ganz Russland regte sich Widerstand gegen die Pläne, direkt am erdbebengefährdeten Ufer des Baikalsees entlang eine Erdölpipeline zu bauen. Gestern zog Kreml-Chef Wladimir Putin unerwartet die Notbremse.


„Wenn es auch nur eine geringfügige Wahrscheinlichkeit gibt, dass der Baikal verschmutzt wird, dann dürfen wir, wenn wir an die zukünftigen Generationen denken, diese Gefahr nicht minimisieren, sondern müssen sie ausschließen“.

Mit diesen wohl bald historischen Worten stoppte Wladimir Putin am Mittwoch auf einem Treffen mit den sibirischen Gouverneuren die umstrittene Trassenführung der Ölleitung entlang des Baikal-Nordufers. Daraufhin trat Putin an eine Landkarte und zeichnete ein paar Striche ein, wie seiner Meinung nach die Ölleitung das größte Süßwasserreservoir der Erde umgehen soll.

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Der Präsident sprach mit diesem Machtwort russischen Umweltschützern aus der Seele, die in den letzten Wochen mit dem Mut der Verzweiflung begonnen hatten, gegen das offenbar schon unabänderlich beschlossene Großprojekt zu demonstrieren.

„Sie hatten Einheiten der Sonderpolizei herbeigeholt“, erzählt Andrej, der bei einer Protestaktion vor der Moskauer Transneft-Zentrale verhaftet wurde. Der hagere Student weiß, wofür er kämpft, denn seine Heimatstadt Sewerobaikalsk liegt am Nordende des weltgrößten Süßwasserreservoirs. Keine 800 Meter vom Ufer entfernt sollte die Pipeline gebaut werden. Im staatlich gelenkten Fernsehen und den großen Zeitungen wurden die Proteste totgeschwiegen.

Umweltschützer vom Ausland gesteuert?


Bei einem Pipeline-Unfall würden riesige Mengen Öl den Baikalsee innerhalb kürzester Zeit verseuchen, hatten Umweltschützer gewarnt. In der sibirischen Provinzhauptstadt Irkutsk nahm sogar der erst kürzlich von Putin ernannte Gouverneur an einer Großdemonstration mit 3.000 Menschen teil – und bewies damit ein beachtliches Maß an Zivilcourage.

Denn die strategisch wichtige Pipeline, über die sibirisches Erdöl an den Pazifik gepumpt und von dort aus weiter zu den Absatzmärkten Ostasiens geliefert werden soll, hatte den höchsten Segen aus dem Kreml. Umweltschützern, die gegen das Projekt protestierten, hatte Wladimir Putin bereits im vergangenen Sommer vorgeworfen, im Auftrag ausländischer Mächte zu handeln, die Russlands wirtschaftlichen Entwicklung abbremsen wollten. „Sobald wir anfangen, irgendetwas zu unternehmen, sind Umweltprobleme jedes Mal eine Variante der Attacken gegen uns“, so der Staatschef damals.

Noch im Januar hatte sich Experten geweigert, ein positives Umwelt-Gutachten für die Pipeline auszustellen. Erst eine eilig neu besetzte Gutachtergruppe bescheinigte dem Projekt wie erwünscht dessen ökologische Unbedenklichkeit. Seither wurde mit Hochdruck an der Pipeline gearbeitet: In dieser Woche begann Transneft damit, die Röhren in der sibirischen Taiga abzuladen, am Freitag soll in Taischet offiziell mit dem Bau der Leitung begonnen werden.

Pipeline 100.000mal sicherer als Eisenbahntransporte


Unternehmenschef Semjon Wainstock hatte sich damit gerechtfertigt, die schätzungsweise 10 Milliarden Euro teure Pipeline werde mit modernster Umwelttechnik ausgestattet: Die Rohrwände sollten auf dem Baikal-Abschnitt dreimal dicker als üblich sein und Schieber zur Abriegelung des Ölflusses sechsmal dichter gesetzt werden.

Bei Russland-Aktuell
• Großes Reise-Special auf Russland-aktuell: Der Baikalsee
Bei jeder Art von ungewöhnlichen seismischen Aktivitäten werde der Ölfluss automatisch unterbrochen. Die Wahrscheinlichkeit eines Pipelines-Unglücks sei „einhunderttausendmal geringer“ als die eines Eisenbahnunglücks auf der unmittelbar am Ufer verlaufenden Strecke der BAM, über die derzeit Güterzüge russisches Öl nach China transportieren.


Pipeline wird weiter nördlich den Baikal umgehen



Völlig überraschend forderte Präsident Putin nun dennoch die Route deutlich weiter nördlich der Küstenberge des Baikal zu verlegen. Die Bauarbeiten werden jetzt wie geplant an den beiden Endpunkten der Pipeline beginnen, während die Trasse im Baikalraum neu projektiert wird.

Der Beschluss sei „wunderbar“, meint Jewgeni Ussow von Greenpeace Russland. Auch die Umweltaktivisten sind nicht generell gegen eine Pipeline zum Pazifik, solange die Trasse außerhalb des Baikal-Einzugsgebietes verläuft. „Sollte die Entscheidung so umgesetzt werden, wäre das ein Beweis dafür, dass es in Russland eben doch so etwas wie eine Zivilgesellschaft gibt“, so Ussow.

Transneft-Chef Wainstock fügte sich der hoheitlichen Anordnung Putins allerdings mit einer weit weniger nach demokratischer Entscheidungs-findung klingenden Einschätzung: "Ich bin Soldat, der Präsident ist der Oberkomman-dierende. Befehle werden nicht diskutiert."

(Karsten Packeiser/epd+ld)


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