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Putin und Medwedew machen gerne alles unter sich aus - doch bei der Dumawahl könnten Russlands Wähler Einspruch erheben (Foto: tv/.rufo)
Putin und Medwedew machen gerne alles unter sich aus - doch bei der Dumawahl könnten Russlands Wähler Einspruch erheben (Foto: tv/.rufo)
Mittwoch, 30.11.2011

Duma-Wahl: Putins Partei muss um Mehrheit bangen

Moskau. Genau drei Monate vor den nächsten Präsidentenwahlen – zu denen wieder Wladimir Putin antritt – wird am Sonntag das Parlament neu gewählt. Putins Hauspartei muss sich auf deutliche Verluste gefasst machen.

Traditionell scheint in Russlands berühmt-berüchtigter „gelenkter Demokratie“ ja alles vorab geregelt zu sein: Der Wladimir Putin treu ergebenen Partei „Einiges Russland“ (ER) ist ein Wahlsieg sicher. Genauso wenig kann daran gezweifelt werden, dass im Frühjahr 2012 Putin nach vier Jahren Medwedew-Intermezzo wieder das Amt des Kreml-Chefs übernimmt.

Machtwechsel aufgrund des Wählerwillens hat es schließlich in der nachsowjetischen Geschichte Russlands noch nie gegeben. Dafür sorgten bisher die weit verbreitete politische Apathie der Russen und ihre aus Zarens Zeiten geerbte Obrigkeitshörigkeit, aber auch die „administrativen Ressourcen“ der Beamten-Partei.
Auch jetzt befürchten die Oppositionsparteien wieder wie üblich Manipulationen zugunsten der Kreml-Partei – von denen die Wladimir Putin treu ergebene Wahlaufsichtsbehörde dann nie etwas bemerkt haben will.

Die Rochade im Tandem stößt übel auf


Doch der von den beiden Tandem-Partnern im Herbst angekündigte Ämtertausch – Dmitri Medwedew fungiert jetzt als Spitzenkandidat von „Einiges Russland“ und soll nach Ablauf seiner Amtszeit dann auf Putins jetzigen Platz als Regierungschef wechseln – stieß nur bei eingeschworenen ER-Anhängern auf begeisterte Unterstützung. Im Rest der Bevölkerung begann der Verdruss über den so dokumentierten Machtanspruch des Putin-Gespanns erst recht zu gären.

Außerdem haben jede Menge Korruptionsskandale und aufgeflogene Mauscheleien, in die ER-Kader verwickelt waren, in den letzten Jahren das Ansehen des Putin-Wahlvereins unterminiert. Hinzu kamen in der Wahlkampfphase reihenweise Berichte über Stimmenkauf und einen von ER-Beamten geradezu erpresserisch geführten Wahlkampf: In der Teilrepublik Udmurtien etwa erklärten Regierungsbeamte den Bürgern einer traditionell „roten“ Stadt, dass ihre Kommune in Zukunft nur dann genug Geld für Straßenreparaturen bekäme, wenn sie diesmal für ER votieren werde.

Macht-Kritik bestimmt im Internet den Ton


Derartige Skandale werden zwar im Kreml-hörigen Fernsehen totgeschwiegen, aber Russlands weitgehend freie Internet-Medien sind dieser Tage voll davon. Und die Zahl der Internetnutzer steigt in Russland Jahr für Jahr drastisch an: Mittlerweile gehen 53 Prozent der Russen zumindest gelegentlich online.

Russlands Wähler sind also nicht mehr so einfach gleichzuschalten wie früher – und das inzwischen von breiten Schichten erreichte Informations- und Wohlstandsniveau macht die Menschen zunehmend selbstbewusster und kritischer.

ER lässt sich erstmals auf TV-Debatten ein


Deshalb könnte es am Sonntag durchaus zu einer Überraschung kommen: ER sah sich erstmals gezwungen, an den offiziellen Wahlkampf-Debatten im Fernsehen teilzunehmen – wobei die Elite-Partei dazu lieber redegewandte Sekundanten in die Schlacht schickt als ihre eigenen Top-Kader. Denn deren Ansehen könnte dabei nur Schaden nehmen, erst recht, wenn die Sprache auf die grassierende Korruption kommt.

Bei Russland-Aktuell
• Kommunisten werben mit Stalin und Che Guevara (18.11.2011)
• Tandem-Umbau: Putin wird Präsident, Medwedew Premier (24.09.2011)
• Putin will Wahlen mit einer „Volksfront“ gewinnen (09.05.2011)
• Umfrage: manipulierte Wahlergebnisse am 4. Dezember (28.11.2011)
• Putin: ER-Mehrheit macht Russland krisenfest (25.11.2011)
In Internetforen fällt auf, dass dort kaum ein Diskutant ein gutes Wort für die Staatsspitze und ihren Apparat einlegt – in weiten Netzkreisen scheint dies schon als geradezu unanständig zu gelten. Als die seriöse St. Petersburger Internetzeitung „fontanka.ru“ unter ihren Lesern eine (nicht repräsentative) Umfrage zum Wahlverhalten machte, votierten gerade einmal vier Prozent der gut 7.800 Teilnehmer für die vom Volksmund als „Partei der Gauner und Betrüger“ gebrandmarkte Kreml-Partei.

Gegenwind in liberalen und roten Regionen


So drastisch wird es für ER natürlich landesweit nicht kommen, aber einen deutlichen Einbruch in der Wählergunst – und wohl auch die eine oder andere regionale Schlappe – wird ER hinnehmen müssen. In St. Petersburg erhebt beispielsweise die in den letzten Jahren vom Kremlfreunde-Verein zu einer kritisch-gemäßigten Links-Partei mutierte Konkurrenz „Gerechtes Russland“ bereits Anspruch auf die Führungsrolle.

Und in klassischen Industrie-Arealen könnte die kommunistische KPRF wieder die Oberhand gewinnen – denn angesichts der drastischen Einkommensunterschiede zwischen Arbeitern und Rentnern einerseits und der „herrschenden Klasse“ andererseits fallen Forderungen nach Steuererhöhungen für Reiche und der Verstaatlichung von Großbetrieben wieder auf fruchtbaren Boden.

Dieser Stimmungsumschwung könnte vor allem bei den am Sonntag parallel stattfindenden Parlamentswahlen in einem knappen Drittel der russischen Regionen für einzelne ER-Niederlagen sorgen.

Die Zwei-Drittel-Mehrheit von 2007 bröckelt


Bei der letzten Dumawahl 2007 kam ER noch auf 64 Prozent. Damit erhielt die Partei im Parlament sogar eine sichere Zwei-Drittel-Mehrheit, womit sogar Verfassungsänderungen in Eigenregie möglich waren. Nun wird ER wohl schon von einem bedeutsamen Wahlsieg reden, wenn der Partei zumindest die einfache Mehrheit in der Duma erhalten bleibt.

Die letzten Umfragen der Meinungsforschungsinstitute Lavada und Wziom sehen ER bei 54 bis 56 Prozent. Die Konkurrenz argwöhnt allerdings schon jetzt, dass alles, was über 40 Prozent liegt, „unehrlichen Wahlen“ zu verdanken sei: „So ist die Stimmung in der Bevölkerung“, erklärt ein kommunistischer Spitzenfunktionär selbstsicher.

Stimmungsumschwung: Pfiffe gegen Putin


Fakt ist: Die zur Wahl zugelassenen sechs Konkurrenzparteien fühlen deutlich Aufwind – während der Stern des Tandems sinkt: Wladimir Putin musste bei einem Auftritt am Rande eines Boxkampfes dieser Tage sogar bis dato Unerhörtes erleben: Er wurde von der Arena schlichtweg ausgepfiffen.

Und auch Dmitri Medwedew erscheint als ER-Spitzenkandidat unglaubwürdig bis deplatziert: Er hatte sich früher immer wieder einmal Kritik an ER erlaubt. Zum anderen verprellte Medwedew mit der Rochade viele seiner persönlichen Anhänger, die in dem liberalen Kreml-Chef eine echte Alternative zum autoritären Putin gesehen hatten.

Bei Russland-Aktuell
• Präsidentenwahlen offiziell auf 4. März angesetzt (25.11.2011)
• Stimmenkauf enthüllt: Wahlzettel-Foto als Quittung (10.11.2011)
• Medwedew senkt die 7-Prozent-Hürde – aber erst 2016 (21.10.2011)
• Revolution in Südossetien: Dschiojewa gründet Staatsrat (30.11.2011)
• Präsidentenwahl Ossetien: Oppositions-Kandidatin siegt (28.11.2011)

Nur Verschiebungen, keine Veränderungen in der Duma


Während es im Sommer noch realistisch erschien, dass neben ER nur noch die Kommunisten (Prognose 17 bis 21 Prozent gegenüber 12 Prozent 2007) den Sprung über die hohe Sieben-Prozent-Hürde schaffen, scheint es jetzt sicher, dass es wieder ein Vier-Parteien-Parlament geben wird – aber mit einer deutlich gestärkten Opposition:

Die LDPR des altgedienten Populisten und rechten Polterers Wladimir Schirinowski wird auf 12 bis 13 Prozent (2007: 8 Prozent) taxiert, das „Gerechte Russland“ (2007: ebenfalls 8 Prozent) auf 10 Prozent.

Drei Außenseiter unter "ferner liefen" - der Rest bleibt draußen


Zur Wahl zugelassen sind darüberhinaus nur noch drei weitere Parteien, die nach Demoskopen-Meinung aber alle unter drei Prozent bleiben werden: Die westlich-liberal orientierte Partei „Jabloko“, die nationalistischen „Patrioten Russlands“ sowie die „Rechte Sache“ – letzteres ein weiteres, aber schon ad acta gelegtes Produkt der Kreml-Politstrategen.

Bei Russland-Aktuell
• Briefwähler vom Kindergarten und Friedhof für Kreml (23.11.2011)
• Putin nach Boxkampf von Zuschauern ausgepfiffen (21.11.2011)
• Kreml-Jugend will am Wahltag in Moskau „patrouillieren“ (16.11.2011)
• Kommunisten zur Duma-Wahl: Gegen Nato und Dumm-TV (14.10.2011)
• Putins Rückkehr: Wächst jetzt das Protestpotential? (26.09.2011)
Aufgrund des harschen russischen Parteiengesetzes (und seiner noch schärferen Auslegung durch die Behörden) bleibt die sonstige Kreml-Opposition von der Wahl ausgeschlossen. Ihre führenden Köpfe wie Boris Nemzow oder Eduard Limonow rufen deshalb dazu auf, bei der Wahl ungültige Stimmen abzugeben – und werden am Wahlabend wohl die eine oder andere illegale Protestkundgebung abhalten.

Eine reale Chance auf eine Parlamentskarriere hätten die eingefleischten Kreml-Kritiker, die nach ihren Mini-Demonstrationen meist in Polizeigewahrsam landen, allerdings ohnehin nicht: Hätte das sogenannte „demokratische Lager“ dafür genug Rückhalt in der Bevölkerung, könnte es jetzt ja zumindest die ideologisch ähnlich gewickelte Partei „Jabloko“ in die Duma befördern.

Ein Warnschuss aus dem Kaukasus


Dass den Politik-Lenkern des Kreml trotz aller Machtfülle die Kontrolle über Wahlergebnisse auch entgleisen kann, bewies diese Woche ein Menetekel im winzigen Kaukasus-Vasallenstaat Südossetien: Der Wunschkandidat Moskaus und der bisherigen lokalen Führung unterlag bei der Präsidentenstichwahl mit 16 Prozent Unterschied einer eloquenten Oppositionskandidatin.

Die Behörden der von Georgien abtrünnigen Zwergrepublik reagierten darauf mit dem Holzhammer: Die Wahl wurde vom Obersten Gericht kurzerhand für annulliert erklärt. Die Begründung: Wahlfälschungen und Beeinflussung der Wahlbehörde – originellerweise aber seitens der Opposition!

Im 2000 mal größeren Russland wird es nicht so heftig kommen. Aber die Duma-Wahl droht dennoch zu einem Denkzettel für Putin und Co. zu werden – zumal die "system-immanenten" Oppositionsparteien immer mehr Beobachter aufbieten, um Wahlbetrug zu minimieren.



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xy 01.12.2011 - 19:58

Duma-Wahl: Putins Partei muss um Mehrheit bangen

Es ist schon erstaunlich, mit welcher Frechheit in Südossetien die Menschen um Ihre Wahl gebracht werden sollen. Warum hat man so viel Angst vor der Demokratie. Was für Europa gut ist, kann doch für Russland nicht schlecht sein.
So viel Unrecht und Willkür schafft garantiert kein gutes Investitionsklima, das doch Medewedew angeblich erreichen will.
Das Ansehen von Russland wird in den letzten Monaten immer schlechter. Mann kann nur beten, das bei den Parlmentswahlen wenigstens eine starke Opposition entstehen kann. Das beste wäre, wenn sich die Regierungspartei einen Koalitionspartner suchen müsste, wie es in Europa normal ist.


jich 30.11.2011 - 16:56

Es ist durchaus zu begrüßen, dass ER weniger Anteile im Parlament bekommt. Dadurch werden die ewigen Populisten und Kritiker aus den Oppositionskreisen aus ihrer bequemen Situation heraus gedrängt und werden auch mal Verantwortung übernehmen können und die Chance bekommen, zu beweisen, dass sie es wirklich besser können.

´ER lässt sich erstmals auf TV-Debatten ein´

http://www.youtube.com/watch?v=6e_x-jK9dKE
So etwa?

´Macht-Kritik bestimmt im Internet den Ton´

Wie konstruktiv diese Kritik ist sieht man sehr gut in den Kommentaren des obengenannten Links. Das selbe Niveau ist bei der Mehrheit der Putin/Politik-bezogenen Videos auf Youtube zu finden...

´Stimmungsumschwung: Pfiffe gegen Putin´
Viel Lärm um nichts. Sogar die von Bloggern gezeigte ´Aufklärungen´ bestätigen nur das, was jeder sehen will:
http://www.youtube.com/watch?v=_YGfkXS9yo0


\"Aufgrund des harschen russischen Parteiengesetzes (und seiner noch schärferen Auslegung durch die Behörden) bleibt die sonstige Kreml-Opposition von der Wahl ausgeschlossen. Ihre führenden Köpfe wie Boris Nemzow\"

7% Hürde könnte die professionellen Oppositionellen nie überwinden. Ihre Trumpfkarte sind Skandale, man denke da an die toten oder minderjährigen Parteimitglieder bei der Unterschriftensammlung.


Und was Südossetien angeht, da ist das letzte Wort noch nicht gesprochen. Was die Siegerin betrifft, so wäre das schlimmste, was sie je anrichten könnte, die Wiedervereinigung mit Georgien anzustreben, aber dazu kommt es wohl nie, auch der Bevölkerung wegen.


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