Online video hd

Смотреть гиг видео

Официальный сайт osinform 24/7/365

Смотреть видео бесплатно

Registrierung von Ausländern kostet jetzt Geld
Streit um Föderationsratschef nach Putin-Kritik
Russland-Aktuell zur Statrseite machen
suchen ►


(Foto: Djatschkow/rUFO)
(Foto: Djatschkow/rUFO)
Montag, 06.01.2003

Leben auf gepackten Koffern

Von Barbara Kerneck, Moskau. Eine dörfliche Siedlung im Moskauer Stadtgebiet soll einer russischen Alternative zu Disneyland weichen. Die Bewohner des Territoriums fühlen sich schon heute wie in einem Wunderland - namens Absurdistan. Nahe der westlichen Moskauer Stadtgrenze, der Ringautobahn, erhebt sich auf dem hohen Ufer des Moskwa-Flusses eine Hochhaus-Siedlung. Die Mieter dort blicken von ihren Balkons aus tief den Abhang hinunter auf den Fluss. Jenseits der Moskwa wabert frühmorgens eine Nebelplatte. Wenn die Sonne kräftiger wird, bohrt sie einen Tunnel in den Dunst, gleich dem Schacht, durch den Alice ins Wunderland fiel.

Auf seinem Grunde werden Holzhäuschen sichtbar, türkis und rostrot gestrichen, mit zierlichen Laubsägeornamenten an den Giebeln. Pferdchen ziehen Bauernkarren. Und dann sehnt sich so mancher Hochhausbewohner nach etwas Vergangenem - Russland?

Das Dorf heißt Terechowo und ist in mehrfacher Hinsicht eine Insel. An drei Seiten wird es von der Moskwa umspült, die hier einen Mäander bildet, im Osten fließt ein Schiffahrtskanal. Terechowo liegt dem Stadtkern näher, als die benachbarte Hochhaussiedlung. Seine Einwohner haben eine Moskauer Postadresse. Dies ist das größte Dorf unter den im Stadtgebiet erhaltenen bäuerlichen Enklaven. Wie die meisten von ihnen, soll es nach dem Generalbebauungsplan innerhalb von zehn Jahren beseitigt werden. Der angeschwemmte Boden ist fruchtbar. Eine Sowchose hier versorgt die umliegenden Bezirke mit Gemüse. Babuschkas lindern ihr Rheuma im Sonnenschein vor den Häusern. Blasse Stadtkinder reiten auf den Ponys der Sowchose.

Wasserpumpe am Straßenrand (Foto: Djatschkow/rUFO)
Wasserpumpe am Straßenrand (Foto: Djatschkow/rUFO)
Allerdings scheinen die Leute in Terechowo den Hauptstadtwohlstand nicht zu teilen. Die Häuser sind wurmzerfressen. Pappe kündet auf den Dächern von Löchern. Niemand renoviert hier, denn diesem Territorium ist seit langem ein besonderes Schicksal bestimmt. Auf diesen 360 ha innerhalb des Moskwa-Mäanders soll das erste russische „Disneyland“ entstehen. Nach seiner USA-Reise wurde schon Nikita Chruschtschow von dieser fixen Idee befallen. Zu Beginn der 60er Jahre waren die Pläne für den Abriss des Dorfes reif. Anstelle dieses richtigen Dorfes, sollten potemkinsche entstehen. Den Bezirk Nischnije Mnewniki, in dem sich Terechowo befindet, sparte man deshalb bei der Tiefbau-Erschließung der Randbezirke aus.

Die Bewohner holen ihr Wasser noch heute an Pumpen, die im Winter einfrieren. Bis sich die Handys durchsetzten, konnten die Pensionäre hier nicht einmal die Erste Hilfe rufen. Ein Dorfbewohner beschreibt die Situation in einem Brief an die Lokalzeitung: „Der Mensch will wissen, was er für morgen tun kann. Uns erklärt man schon seit 40 Jahren, dass unsere Häuser jeden Moment abgerissen werden. Die ganze Zeit über leben wir auf Koffern“. Im Gegensatz zur spottbilligen Fernwärme in den Moskauer Wohnblocks, sind Holz und Kohlen für Öfen sehr teuer. Viele Hausfrauen kochen auch bei Winter-Tagestemperaturen von Minus 20 Grad auf der Terrasse oder in einem ungeheizten Schuppen, wo sie aus Sicherheitsgründen den von Patronen gespeiste Gasherd untergebracht haben. Als Badezimmer dient häufig ein Plastikverschlag im Garten.

S. Zereteli und Bürgermeister Luschkow (Foto: Chworostow/rUFO)
S. Zereteli und Bürgermeister Luschkow (Foto: Chworostow/rUFO)
Zwischen einer Brücke über den Schiffahrtskanal und einer über die Moskwa führt eine gut asphaltierte Strasse mitten durch das Dorf. Über diese Abkürzung verlassen viele schwere Wagen, darunter schwarze Politiker-Limousinen, mit hoher Geschwindigkeit das Zentrum in Richtung Ringautobahn. Sie durch Ampeln aufzuhalten, scheint nicht opportun. In den nebeligen Flussauen kommt es zu zahlreichen Unfällen. Deshalb nennen die Anwohner Terechowo auch „Tal des Todes“.

Der letzte Erlass einer Moskauer Stadtregierung „Über den Baubeginn eines Kinderpark-Komplexes in Nischnije Mnewniki“ stammt aus dem Jahre 1992. Drei Jahre später bekam das Territorium, wiederum per Erlass, einen Eigentümer: die „Stiftung Kinder-Wunderpark“ unter Leitung des Malers und Bildhauers Surab Zereteli. Die Stiftung führt in ihrem Titel das Wort „nichtkommerziell“. Die zuständigen Beamten behaupten allerdings, einige kommerzielle Einrichtungen, die hier in den letzten Jahren aus dem Boden schossen, unterstünden ihr indirekt: Autoreparaturwerkstätten, eine Tankstelle, ein Hotel und Abholmärkte.

Surab Zerteli verströmt einen welkmäuligen Charme. Als Vorsitzender der Moskauer „Akademie der Künste“ hat er das Modell seines Wunderparkes in deren Hallen plaziert. Seine Ankunft dort wird von Assistenten kommentiert, wie der Count-Down einer Rakete: Jetzt ist er noch 40 Meter entfernt, noch dreißig ... Nach atemlosem Stopp, beginnt der Meister mit seinem Kommentar. Der richtet sich erstmal gegen eine Journalistin einer Moskauer Tageszeitung, die gerade die Lage in Terechowo kritisiert hat. Zereteli kennt den Grund: „Sie ist gegen die Kinder, gegen eine ganze Generation“.

Zereteli-Werk "Peter der Große" (Foto: Djatschkow/rUFO)
Zereteli-Werk
Seine Sprechweise nimmt den kindgemäßen Charakter des Wuderparks voraus: „Alle Länder denken nach, um einer Generation eine Freude zu bereiten. Damit die Kinder lachen können und das unangemessene Wort aus ihrem Wortschatz hinauswerfen. Ich will, dass unsere Kinder glücklich sind und ihnen die Möglichkeit geben – frei – nicht nur zu spielen, sondern auch noch Bildung zu erhalten. Was ist Bildung? Eben die Konzeption, die ich dem hier zugrunde lege“.

Den Eingang des bunten Mischmaschs aus Pavillions und Anlagen soll ein russisches Märchenland zieren. Sein Wunderpark werde einen russischen Helden als Entsprechung zu Mickey-Mouse haben, versichert der Meister: „Seinen Namen verrate ich nicht. Entweder er und Mickey werden Freundschaft schließen, oder sich ein Duell liefern“. Der „russische Winter“, der heute in Terechowo noch nackt stattfindet, soll in einen von mehreren Pavillions verbannt werden. Zu den unzähligen geplanten Attraktionen gehören auch ein „Haus aller Religionen“ und eine „Straße der Welt“, die unter anderem am Kölner Dom und an der Oper von Sidney vorbeiführen soll. An einem der Ufer ist eine „Nachtstadt“ mit Unterhaltungseablissements geplant. Dort können die Erwachsenen ihre Bildung fortsetzen, wenn die Kleinen im Bett liegen. Dass sie zum Übernachten eines der in dieser Zone geplanten Hotels benutzen werden, bezweifelt Zereteli offiziell nicht . Er schätzt die Bauzeit für den Wunderpark auf 13 Jahre ab heute und die Kosten auf zwei Milliarden Dollar. Über Investoren schweigt er sich aus.

(Foto: Djatschkow/rUFO)
(Foto: Djatschkow/rUFO)
„Wo will Moskau das Geld hernehmen, um so ein Disneyland am Laufen zu halten, wo schon das in Frankreich mit Defizit arbeitet?“ so lautet der Kommenar eines Terechowoers, der gerade unter seinem Auto hervorkriecht. Er nennt seinen Familiennamen: Tokarjowo, und fügt stolz hinzu, der sei in den hiesigen Kirchenbüchern seit 1642 verzeichnet. „Ich kann auf diesem Boden, auf dem meine Vorfahren seit Jahrhunderten leben, kein Haus bauen, um wie ein normaler Mensch zu leben“, klagt er: „Das ist ein Albtraum! Mit uns hier rechnet niemand!“. Seit etwa vierzig Jahren dürfen die Terechowoer ihre Grundstücke weder bebauen noch verkaufen.

Etwa die Hälfte der einst 130 Häuser wurden in den letzten Jahren geräumt. Ihre Bewohner ließen sich überreden, winzige Neubauwohnungen jenseits der Ringautobahn zu beziehen. In den leeren Gebäuden haben sich Stadtstreicher angesiedelt. Herr Tokarjowo vermutet, an dieser Stelle werde eines Tages eine Landhaus-Siedlung für Reiche entsehen. Den Kinder-Wunderpark hält er nur für einen Vorwand für die Landnahme der Stiftung und sagt: „Wegen all dieser Chimären, müssen wir leiden!“.

Der einzige, der in Terechowo etwas gebaut hat, ist Sergej Nikolajew. Der einstige Jazzmusiker, heute Mitte 50, hat in eine Sippe eingeheiraet, die hier seit 300 Jahren lebt. Sein neues Gebäude ist aus Ziegelsteinen, damit man es nicht so leicht abreißen kann. Außer Wohngemächern enthält es auch einen kleinen Theatersaal. Nikolajew und seine Frau Tatjana beabsichtigen hier, ein „Blumen-Theater“ zu gründen. Blumen züchten die beiden seit Jahrzehnten. Durch Musikberieselung erzielen sie Dahlien von Menschenkopfgröße. Mit ihnen dekorierten sie schon häufig die Kremlbühne. Aber Gas-, Wasser- und Stromleitungen mussten sie selber an ihren Neubau heran verlegen – alles illegal! Da das Land weder dem Staat noch der Familie gehört, ist das Theatergebäude ein Niemandshaus.

Bibel-Freizeitpark in Moskau geplant
Bei Russland-Aktuell
• 
Im Gegensatz zu den verbitterten Tokarjowos, geht der hagere Ex-Musiker mit dem schwarzen Vollbart das Problem kreativ an. „Zereteli ist nur aus Trägheit überzeugt, dass ihm das hier gelingen wird“ meint er: „Ihm ist vieles gelungen. Aber das hier hängt nicht von ihm ab. Wo findet er in unserer Zeit einen Investor für so ein Unterfangen?“. Nikolajew weiss eine Alternative: „Wenn Zereteli das Gelände in Parzellen aufteilen würde, dann könnte er viele kleine Investoren finden. - Und ich wäre einer davon“.

Inzwischen rotten die Terechowoer Holzhäuser weiter vor sich hin. Hin und wieder brennt eines von ihnen ab, dann kommt die Feuerwehr zu spät und die Stadtstreicher verstecken sich. Was einmal an Stelle ihres Dorfes sein wird, wissen die verbliebenen Einwohner nicht, nur, dass seine Tage gezählt sind. Von seiner Existenz könnte eine zukünftige Babuschka erzählen: „Zu Beginn des dritten Jahrausends hat Moskau an dieser Stelle noch fast wie das alte Russland ausgesehen, wie ein Modell von Russland in irgendeinem Disneyland“.

Artikel versenden Leserbrief Druckversion

Leser-Kommentare zu diesem Artikel (und Kommentare zu Kommentaren): ↓

Schreiben Sie Ihren eigenen Kommentar, nachdem Sie sich hier unten für Kommentare neu registriert haben. Sie können hier oder im Forum (www.forum.aktuell.ru) mitdiskutieren.

Bisher gibt es zu diesem Artikel noch keine Leserkommentare



E-Mail (Zur Registrierung. Wird nicht veröffentlich)

Kennwort

Schnelle Neuanmeldung zum Schutz vor Spam
Klicken Sie hier, wenn Sie sich bisher noch nicht für Kommentare registriert haben.




nach oben
Alle Berichte aus dieser Rubrik
Alle Artikel vom Montag, 06.01.2003
Zurück zur Hauptseite








Ausser frostigen Temperaturen gibt es auch noch soziale Kälte. Trotz krisenbedingten 30-Prozent Rabatt bleiben doch viele draussen vor den Modeboutiquen (Topfoto: Mrozek/.rufo)


Die populärsten Artikel der letzten drei Tage
Schnell gefunden
Brand-Tragödie im Klub in Perm
Anschläge auf den Newski-Express
Russland Veranstaltungen und Kultur-Events in D+A+CH

Die Top-Themen
St.Petersburg
Explosion in Petersburg: Stecken wieder Nazis dahinter?
Kaliningrad
Wider das Vergessen: Das Massaker von Palmnicken
Moskau
Zuhälterei? Moskauer Polizei klagt wegen Verleumdung
Thema der Woche
Registrierung von Ausländern kostet jetzt Geld
Kopf der Woche
Mit Gorbatschow unzufriedene Russen sterben langsam aus
Kommentar
Afghanistan-Konferenz: Russland baut Grossprojekte auf
Der Russland-Aktuell
Nachrichten-Monitor
Mittwoch, 3. Februar
18:48 

Russische Bürgerrechtlerin für Nobelpreis nominiert

18:01 

Chopin-Jahr 2010: Olga Scheps in Hamburg und Berlin

17:05 

Umweltschützer gegen Abholzung des Chimki-Waldes

16:07 

USA schmettern Medwedews Euro-Atlantischen Pakt ab

15:16 

Explosion in Petersburg: Stecken wieder Nazis dahinter?

14:05 

Streit um Föderationsratschef nach Putin-Kritik

12:28 

Keine Konkurrenz, aber Aeroflot wird schwerer

11:20 

Neonazis bekommen Bewährung nach Ausländermord

09:01 

Kaliningrad: ganze Schicht eines Zollpostens verhaftet

00:01 

Russland Geschichte: erste weiche Mondlandung geglückt

Dienstag, 2. Februar
18:53 

Wehrdienstverweigerer erwarten härtere Strafen

17:50 

Russland zieht keine Atomwaffen von EU-Grenzen ab

16:53 

Nach Großdemo: In Kaliningrad könnten Köpfe rollen

15:30 

Zuhälterei? Moskauer Polizei klagt wegen Verleumdung

14:42 

Petersburg will Eiszapfen von den Dächern lasern

13:22 

Wladiwostok: Miliz sprengt Gangster-Schlacht am Strand

12:49 

Bahnbombe in Petersburg wird als Terrorakt gesehen

11:35 

Registrierung von Ausländern kostet jetzt Geld

09:45 

In Litauen nennt man Georgien weiterhin „Grusia“

09:14 

Explosion auf Gleis lähmt Vorort-Verkehr in Petersburg

00:01 

Russland Geschichte: Friedensvertrag Estland-Russland

Montag, 1. Februar
18:46 

Ukraine: Schlammschlacht vor dem zweiten Wahlgang

18:21 

McDonalds will in Russland weiter expandieren

17:11 

Wider das Vergessen: Das Massaker von Palmnicken

16:34 

Inadäquat: Norman Foster ist raus aus Neu-Holland

15:07 

Skandal: Moskauer Sonderpolizei muss illegal arbeiten

14:02 

Miss Olympia? Eine russische Athletin unter Top-10

13:18 

Zwölf Internatskinder schneiden sich Pulsadern auf

12:17 

Lada-Produzent Avtovaz fährt weiter auf den Abgrund zu

11:34 

Lukoil unterzeichnet Milliarden-Ölvertrag im Irak

10:16 

Tauwetter und Schneegestöber in Moskau erwartet

09:02 

Grammy-Verleihung: Zwei Musik-Oscars nach Russland

00:01 

Russland Geschichte: Zwangskollektivierung, Jelzin

Sonntag, 31. Januar
00:01 

Russland Geschichte: Von Stalingrad zu McDonalds

Samstag, 30. Januar
00:01 

Russland Geschichte: S-13 versenkt Wilhelm Gustloff

Unseren kompletten
aktuellen News-Uberblick
finden Sie bei
russland-news.RU

Alle Berichte bei Russland-Aktuell ab 2000 finden Sie in unserem Archiv
Weitere Nutzung im Internet oder Veröffentlichung auch auszugsweise nur mit
ausdrücklicher Genehmigung der Redaktion (Chefredakteur: Gisbert Mrozek) und mit Quellenangabe www.aktuell.ru
E-mail genügt
www.Russland-www.Aktuell.ru (www.aktuell.ru) ist nicht verantwortlich für die Inhalte externer Internetseiten.


Basis-Information aus Russland, der Provinz und der GUS auf deutschen Internetseiten:
www.kasachstan.ru, www.russlanddeutsche.ru, www.georgien.ru, www.abchasien.ru, www.ossetien.ru, www.waldikawkas.ru, www.grosny.ru, www.sibirien.ru, www.wolga.ru, www.baikalsee.ru, www.kaukasus.ru, www.sotschi.ru, www.baltikum.ru, www.nowgorod.ru, www.nischni-nowgorod.ru, www.nowosibirsk.ru, www.rubel.ru, www.kultur.ru, www.puschkin.ru, www.wladiwostok.ru, www.sotschi.ru ... und noch einige andere mehr!
Russia-Now - the English short version of Russland-Aktuell




Смотреть онлайн бесплатно

Смотреть видео онлайн