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Michail Gorbatschow feiert seinen 80. Geburtstag (Foto: Djatschkow/.rufo)
Michail Gorbatschow feiert seinen 80. Geburtstag (Foto: Djatschkow/.rufo)
Mittwoch, 02.03.2011

Gorbatschow: Der „Vater der Perestroika“ wird 80

André Ballin, Moskau. Happy Birthday, Gorbi! Im Ausland geliebt, in Russland nur gelitten: Der Friedensnobelpreisträger und Ex-Präsident der Sowjetunion Michail Gorbatschow feiert am 2. März seinen 80. Geburtstag.

Wörtlich gesagt hat er es so nicht, dennoch wurde sein Satz „Wer zu spät kommt, den bestraft das Leben“ zum geflügelten Wort. Die Mahnung soll Michail Gorbatschow 1989 im Wendeherbst an die Genossen um Erich Honecker gerichtet haben. Doch die Worte betrafen nicht nur die greise DDR-Führung.

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Auch er selbst kam als Reformer des sozialistischen Systems zu spät. Unter ihm zerfiel der Vielvölkerstaat Sowjetunion. Noch heute polarisiert Gorbatschow daher stark. Für die einen ist er der Begründer von Glasnost und Perestroika, für die anderen der Totengräber der UdSSR. Die Feier zu seinem Geburtstag findet in London statt, nicht in Moskau.

Bauernsohn aus Südrussland


Als Gorbatschow am 2. März 1931 in der Ortschaft Priwolnoje im Kaukasusgebiet Stawropol geboren wird, deutet noch nicht viel auf eine Karriere in Moskau hin. Seine Eltern sind einfache Bauern, auch er selbst muss während der Schulzeit immer wieder in der Kolchose als Traktorist und Mähdrescherfahrer aushelfen. Immerhin kommt er so ohne Examen an die berühmte Lomonossow-Uni in Moskau, die er mit einem Abschluss als Jurist verlässt.

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Karriere macht Gorbatschow freilich nicht als Rechtsanwalt, sondern in der Partei, zunächst in seiner Heimatregion Stawropol, später dann in Moskau. 1978 wird er ZK-Sekretär, 1980 Mitglied des Politbüros. Unterstützung erfährt er vom mächtigen KGB-Chef Juri Andropow, der 1982 schwerkrank sogar Generalsekretär der KPdSU wird. 1985 – nach einem kurzen Intermezzo Tschernenkos – beerbt ihn Gorbatschow schließlich.

Staatsführer einer maroden Supermacht


Er übernimmt eine atomare Supermacht mit marodem Unterbau. Planwirtschaft und Hochrüstung haben die Volkswirtschaft, der Afghanistankrieg das Image der Sowjetunion und die Trinksucht die Gesundheit vieler Russen ruiniert.

Ein schwerfälliger hochbürokratischer Beamtenapparat behindert den mächtigen Generalsekretär beim Regieren. Doch Gorbatschow glaubt an die Zukunft des Sozialismus, dem er „ein menschliches Gesicht“ geben will.

Schlagworte Glasnost und Perestroika


Seine Antialkoholkampagne scheitert, doch die von Gorbatschow begonnene Perestroika – der Umbau des sowjetischen Systems – fällt noch radikaler aus, als von ihrem Wegbereiter geplant. Transparenz (Glasnost) dient Gorbatschow zunächst als Druckmittel gegen die konservative Nomenklatur, die die Reformen bremsen will.

So werden die Archive der Stalinzeit geöffnet und Opfer der Säuberungen endgültig rehabilitiert. Außenpolitisch räumt Moskau erstmals das Vorhandensein des Zusatzprotokolls im Hitler-Stalin-Pakt ein und übernimmt die Verantwortung für die Verbrechen von Katyn.

Unter Gorbatschow entsteht die Zivilgesellschaft in Russland


„Gorbatschow hatte eine hervorragende Intuition für die richtigen Worte“, erklärt Alexej Simonow, Leiter der „Stiftung zur Verteidigung von Glasnost“. Die Losungen Perestroika und Glasnost haben die Zivilgesellschaft in Russland belebt, meint Simonow.

Tatsächlich entstehen in dieser Zeit zahlreiche Menschenrechtsorganisationen, darunter auch Memorial und Simonows Glasnost-Fonds, der sich dem Schutz der Pressefreiheit verpflichtet fühlt. Im ökonomischen Sektor bilden sich die ersten privat geführten Kooperative. Viele spätere Oligarchen verdienen dort ihr erstes Kapital.

Gefeiert im Ausland, Sündenbock im Inland


Doch im Land werden wirtschaftliche Misere, Wille zur politischen Selbstbestimmung und damit Reformdruck immer größer. Glasnost wird plötzlich für Gorbatschow selbst zum Problem, denn die öffentliche Kritik an ihm nimmt zu. Während Gorbatschow im Ausland für Friedensbemühungen und Deutsche Einheit gefeiert wird, lässt er im Baltikum auf Demonstranten schießen, die Litauens Unabhängigkeit fordern.

Am Ende ist er dem Dauerdruck von beiden Seiten – Konservativen und Radikalreformern – nicht mehr gewachsen. Spätestens mit dem Putsch verliert er die Initiative im Land. Die Sowjetunion geht unter. Der machthungrigere Boris Jelzin übernimmt das Kommando und führt die Perestroika zu Ende – mit fatalen Folgen für Millionen verarmter Russen.

Gorbatschow bei Mehrheit der Russen unbeliebt


Die Mehrheit der Russen trauert noch heute der Sowjetunion nach. Bei der Nostalgieanwandlung werden die damals herrschende Unmündigkeit, Gängelei und Warenknappheit ausgeblendet. Der Kreml fördert diese Stimmung, kommt sie doch den eigenen Großmachtambitionen zugute. Unterstützt wird er dabei von den staatlichen Medien, die ihre Aufgabe als Propagandainstrument wieder vortrefflich spielen.

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Dabei wurde noch unter Gorbatschow eines der weltweit liberalsten Mediengesetze in Moskau durchgesetzt. „Gorbatschow ist der erste Sowjetführer, der Glasnost ehrlich an sich selbst ausprobiert hat“, lobt Simonow heute. Womöglich ist Gorbatschow aber auch der letzte.

Festredner und Gorbatschow-Stiftung


Aus der aktiven Tagespolitik hat sich der Friedensnobelpreisträger in den 90er Jahren zurückgezogen. Zuletzt kandidierte er 1996 erfolglos um das Amt des russischen Präsidenten.

Mit seiner Gorbatschow-Stiftung engagiert er sich aber seit zwei Jahrzehnten für Friedens- und Umweltpolitik, Armuts- und Krankheits-bekämpfung sowie Aufarbeitung der Geschichte. Bei internationalen Politik-veranstaltungen ist er nach wie vor ein gefragter Redner.



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