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Martialisch wirkt er nicht, der Oberkommandierende Dmitri Medwedew (foto: kp.ru) |
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Donnerstag, 14.08.2008
Kreml-Neuling Medwedew: Nach 100 Tagen schon KriegMoskau. Am 101. Tag seiner Amtszeit trifft Dmitri Medwedew am Freitag in Sotschi Bundeskanzlerin Angela Merkel. Außer dem Marschbefehl nach Georgien was hat der neue Mann im Kreml in dieser Zeit geleistet?
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Drei Monate Frieden und dann eine Woche Krieg: Für Dmitri Medwedew hat die in aller Welt zur Beurteilung neuer Staats-Chefs übliche Probezeit von 100 Tagen ein dramatisches Ende genommen blieb dafür ganz ohne peinliche Ehefrauenwechsel, Stolperer oder Freudsche Versprecher wie bei so manchem westlichen Amtskollegen.
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Durch den Südossetien-Konflikt fand sich der betont liberal, ruhig und friedfertig auftretende neue Kreml-Chef plötzlich in einer anderen Rolle wieder: Kraft Amtes ist nun einmal er Oberkommandierender der russischen Streitkräfte. Es brauchte seinen expliziten Befehl zum Einmarsch nach Südossetien und Georgien Russlands erstem exterritorialem Krieg seit der Afghanistan-Invasion in den 80er Jahren. Nach den Angriffen auf russische Bürger und Blauhelmsoldaten werde Russland dem Nachbarn eben den Frieden aufzwingen, verkündete Medwedew mit fester Stimme.
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Georgien-Krise: Putin hält sich im Hintergrund
Nach allem, was in der Vergangenheit über die Struktur des Macht-Tandem Putin-Medwedew gemutmaßt worden war: Man hätte erwarten können, dass nun Wladimir Putin das Kommando an sich zieht. Oder wenigstens das verbale Sperrfeuer liefert. Doch das blieb aus. Offiziell kümmert sich Putin als Premier nun vorrangig um zivile Fragen wie Flüchtlingshilfe und den Wiederaufbau von Zchinwali.
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Auch wenn die Wege der Entscheidungsfindung in der russischen Führung nicht transparent sind: Ganz wie es die Verfassung vorsieht, behielt Medwedew in dieser ernsten Krise die Außen- und Sicherheitspolitik in seinen Händen. Er lieferte pathosfreie Begründungen für das russische Vorgehen, er verkündete geschäftsmäßig die gesetzten Ziele sind erreicht das Ende der Operation, er klärte mit Vermittler Sarkozy die Grundlagen einer Friedenslösung ab.
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Krieg, aber keine Georgier-Hetze wie 2006
Offensichtlich hat sich Medwedew von seinem Mentor Putin emanzipiert und zugleich die notorischen Scharfmacher im Kreml kalt gestellt: Anders als 2006 unter Putin, als nach einem vergleichsweise harmlosen Konflikt mit Georgien eine hässliche Anti-Georgier-Kampagne mit massenhaften Ausweisungen gestartet wurde, blies der Kreml samt seiner Medienmacht jetzt nicht zur populistischen Hatz.
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Insofern verkörpert Medwedew das Bild von einem gewandelten Russland: Statt aus Schwäche geborener Großmäuligkeit zeigt man, völlig unbeeindruckt von der Meinung Washingtons, jetzt Härte, Prinzipientreue, Selbstsicherheit und militärische Schlagkraft und wahrt dabei relativ korrekte Umgangsformen. Selbst wenn das Bild von durch Kern-Georgien rollenden russischen Panzerkolonnen alte europäische Invasions-Ängste weckt: Der Kanzleimensch Dmitri Medwedew taugt nicht zum freiheitsbedrohenden Schreckensbild.
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Medwedew taugt nicht zum Kinderschreck
Medwedew hat diesen Krieg nicht angezettelt, ihn schnell und siegreich wieder beendet und seine Generäle auch nicht Tiflis erobern lassen, was diese sicher gerne getan hätten. Sein Job verlangt, dass er aus dem Resultat jetzt für Russland ein Maximum an strategischem Nutzen herausholen wird. Schließlich gilt es Verluste zu kompensieren beim internationalen Image wie bei der Armee.
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Angela Merkel trifft Medwedew am Freitag in der Sommerresidenz des russischen Präsidenten in Sotschi. Bei dem schon lange geplanten, nun aber geografisch wie zeitlich höchst krisennahen Treffen hat sie es also nicht mit einem Wolf zu tun, der jetzt nur den Schafspelz abgeworfen hat. Sondern eher mit einem berufsbedingt bissigen Schäferhund, der versucht, seine ebenso unübersichtliche wie eigensinnige Herde zu schützen und zu disziplinieren.
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Medwedews Fronten zuhause: Korruption und Justiz
Denn bevor der Krieg ausbrach, hatte der neue Präsident durchaus an jenen Punkten angesetzt, wo auch nach Meinung ausländischer Experten Russlands größte Schwächen liegen von der mangelnden Demokratie einmal abgesehen. Er wurde dabei durchaus wohlwollend begleitet von Putin, dem in diesem Bild die Rolle des im Hintergrund stehenden Hirten zukäme. Wenn nicht gar die des schon leicht religiös verklärten Oberhirten.
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So soll bis zum Jahresende Medwedews Antikorruptions-Plan in konkrete Gesetze, für die wir uns nicht schämen müssen, münden. Dafür ist es höchste Zeit, denn dank der boomenden Wirtschaft ist die Einträglichkeit mancher Ämter inzwischen so hoch, dass sie selbst begehrte Waren wurden: Verwaltungsposten werden verkauft. Das ist neu, das gab es früher nicht, schimpfte Medwedew.
Analog hat der promovierte Jurist eine Arbeitsgruppe eingesetzt, die Wege finden soll, wie die Justiz zu einer wirklich unabhängigen Gewalt im Staate werden kann. Rechtssicherheit und Gerechtigkeit sind in Russland dehnbare Begriffe: Dass Richter und Gerichte obrigkeitshörig oder auch schlichtweg käuflich sind, ist eine von Bürgerrechtlern wie Business permanent erhobene Klage. Beweisen, gar bestrafen, ließen sich aber bisher die wenigsten Fälle.
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Chodorkowskis Freilassung wäre ein Signal
Manche wären aber zu revidieren: Es war wohl kein Zufall, dass Medwedew eine vorzeitige Haftentlassung von Michail Chodorkowski für möglich erklärte dies ist immerhin das prominenteste Opfer von Willkürjustiz der Ära Putin.
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Dabei weiß Medwedew, dass es schwierig wird, den Kampf gegen die Korruption dem Staat, also dessen notorisch korrupten Politikern, Beamten, Polizisten und Richtern zu übertragen: Geld kann man überall machen, so auch mit dem Kampf gegen die Korruption. Aber das heißt nicht, dass wir uns der Sache nicht annehmen sollten. Dann könnte man gleich die Hände heben und sich ergeben, erklärte Medwedew.
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Und sich präventiv ergeben, dass hat er mit dem massiven Gegenschlag in Georgien gezeigt, das ist auch nicht Medwedews Sache.
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