Donnerstag, 01.12.2011
Putins Judas-Vergleich: Wahlbeobachter beklagen DruckMoskau. Erst hat der russische Regierungschef Wladimir Putin unabhängige Wahlbeobachter mit einem Judas-Vergleich verunglimpft, nun klagen diese über eine beispiellose öffentliche Hetzjagd. Die Staatsanwaltschaft leitete vor der Dumawahl ein Verfahren gegen die auch von der EU finanzierte einzige unabhängige russische Wahlbeobachterorganisation Golos wegen Einmischung in den Wahlkampf ein.
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Das sagte eine Sprecherin der Organisation am Donnerstag der Nachrichtenagentur dpa. Golos hat in den vergangenen Wochen schwere Wahlrechtsverstöße der Putin-Partei Einiges Russland aufgedeckt und im Internet öffentlich gemacht.
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Der Besuch der Staatsanwaltschaft bei Golos sei ein «nie dagewesener Vorgang» in der Wahlbeobachtung der vergangenen Jahre, sagte der Vizechef der Organisation, Grigori Melkonjanz, im Radiosender Echo Moskwy. Er betonte, dass Golos die Finanzquellen aus dem Westen - auch von der Europäischen Kommission - in allen Rechenschaftsberichten offengelegt habe.
«Je näher die Wahl zur Staatsduma kommt, desto größer wird die Nervosität der russischen Machthaber», kritisierte die Menschenrechtsorganisation Memorial. Putin spiele im Wahlkampf erneut mit sowjetischen Klischees, wonach der Westen an der Zersetzung des Landes arbeite. Putin hatte Nichtregierungsorganisationen auf einem Parteitag am Sonntag als «Judasse» und schon vor der Wahl 2007 als «Schakale» bezeichnet.
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Putin warf westlichen Regierungen vor, Russen zu ködern. «Sie richten sie ab, damit sie letztlich auf den Verlauf des Wahlkampfes Einfluss nehmen. (...) Judas ist nicht die verehrteste biblische Gestalt in unserem Volk», hatte Putin gesagt. Zugleich forderte der Regierungschef den Westen angesichts der Finanzkrise in der Eurozone auf, das Geld lieber zum Begleichen von Staatsschulden einzusetzen.
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Die Bundestagabgeordnete Marieluise Beck (Grüne) kritisierte die Einschüchterungsaktion gegen Golos.
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«Demokratische Wahlen sind dem Kreml offensichtlich nicht genehm. Anstatt sich um ihren rechtmäßigen Ablauf zu sorgen, schikanieren die Behörden die Aktivisten, die eine unabhängige Wahlbeobachtung betreiben», teilte Beck mit.
(dpa)
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xy 01.12.2011 - 20:16
Putins Judas-Vergleich: Wahlbeobachter beklagen Druck
Eine freie Wahl zuzulassen hat nichts mit Aufgabe der Souveränität zu tun. Im Gegenteil, wenn die Regierung wirlich frei gewählt ist, kann sie im Ausland viel glaubwürdiger und souveräner agieren. Auch der wichtige soziale Frieden wird so am Besten gewahrt und ein unabhängiges Gerichtswesen, stellt sich wohl auch am ehesten ein, wenn Regierungen mal abgewählt werden. Je mehr sich Russland von der Demokratie entfertn um so schlechter werden die Chancen einer Modernisierung.
jich 01.12.2011 - 18:06
Marieluise Beck (Grüne) kritisierte die Einschüchterungsaktion gegen Golos.
Ist das eigentlich die Aufgabe Cem Özdemirs Aufgabe?
«Demokratische Wahlen sind dem Kreml offensichtlich nicht genehm. Anstatt sich um ihren rechtmäßigen Ablauf zu sorgen, schikanieren die Behörden die Aktivisten, die eine unabhängige Wahlbeobachtung betreiben», teilte Beck mit.
Anstatt sich um innerparteiliche Probleme zu kümmern(von denen die Grünen genug haben), glaubt Marieluise Beck Unabhängigkeit anderer Länder in Frage zu stellen...
Softpower und NGOs sind nichts Anderes als ein Werkzeug der Außenpolitik, da hat Putin vollkommen recht.
Deutschland schreit bereits \"Kreml-Propaganda\" wenn in der Süddeutschen ein Begleitheft über Russland beigelegt wird... Wie würde man denn reagieren wenn aus Russland Kritik über die damals geplanten Wahlautomaten gekommen wäre oder gar eine aus Russland gesponserte NGO Bundestagswahlen kontrollieren wollte?
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