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Vater Diomid betreut derzeit zehn Drogenabhaengige (Foto: Packeiser/.rufo) |
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Dienstag, 16.08.2005
Die letzte Chance - Drogenentzug im KlosterKarsten Packeiser, Brjansk. Kein Alkohol, kein Ausgang und viel körperliche Arbeit. Mit strikter Disziplin versuchen zehn junge Männer, in einem orthodoxen Kloster von den Drogen wegzukommen.
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Im Kloster von Ploschtschanskaja Pustyn gibt es viele Verbote und einen streng geregelten Tagesablauf. Nicht alle jungen Männer, die hier herkommen, ertragen die strikte Disziplin. Aber die meisten verstehen, dass die Monate hinter den alten, weißen Klostermauern ihre letzte Chance sind, vom Heroin wegzukommen und zu einem normalen Leben zurückzufinden.
Georgi kommt aus Moskau, ist 30 und hat schon viel versucht, um seine Heroin-Abhängigkeit zu überwinden. Er war im Entzug in staatlichen und privaten Drogenkliniken, holte sich Rat bei Psychologen. „Dabei ist all das nur dazu da, um Geld aus den Eltern herauszuquetschen“, sagt er im Rückblick. Inzwischen hat er sich wie die orthodoxen Mönche einen Bart wachsen lassen, steht jeden Tag um sieben Uhr auf und geht zum Arbeiten in die Käserei des 450 Kilometer südwestlich von Moskau gelegenen Klosters.
Hilfe nur von Wunderheilern
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Das Kloster Ploschtschanskaja Pustyn liegt auf halber Strecke zwischen Moskau und Kiew kurz vor der ukrainischen Grenze (Foto: Packeiser/.rufo) |
Nach dem Zerfall der Sowjetunion verbreiteten sich Drogen lawinenartig in Russland. In den Metropolen bis hin in abgelegene Provinzstädte gibt es landesweit inzwischen Millionen Drogenabhängige. Von den überforderten staatlichen Drogenkliniken und Wunderheilern abgesehen, gibt es nur wenige Organisationen, die Abhängigen echte Hilfe leisten.
Sein Kloster habe 1997 eher zufällig damit begonnen, sich mit der Rehabilitierung von Drogensüchtigen zu befassen, erzählt Vater Diomid, während er in seiner bescheiden, aber gemütlich eingerichteten Zelle Tee kocht. Damals habe ein Mann um Aufnahme auf Zeit gebeten, später kamen andere.
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Vater Diomid zuechtet im Kloster-Garten auch Heilkraeuter (Foto: Packeiser/.rufo) |
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Nach einiger Zeit bat Diomid den Abt, die Betreuung der jungen Leute übernehmen zu dürfen. „Die taten mir leid“, sagt er. Immer wieder fließen Slang-Begriffe aus dem Junkee-Millieu in die Sätze des Mönches ein. Mit einem charmant-überlegenen Lächeln fragt er gelegentlich: „Verstehst Du eigentlich, was ich gerade gesagt habe?“
Kontakt zu den alten Freunden verboten
Die derzeit zehn jungen Männer, die hoffen, im Kloster ein neues Leben zu starten, dürfen grundsätzlich so lange in einem Altbau auf dem Gelände leben, wie sie wollen. Von allen wird allerdings erwartet, dass sie bei der Aufnahme dem Christentum offen gegenüber stehen, zumindest an Sonn- und Feiertagen den Gottesdienst besuchen und vor dem Essen beten. Kontakte mit alten Freunden sind verboten, Besuche enger Verwandter nur gelegentlich gestattet. Außerdem muss jeder bei den täglichen Arbeiten mithelfen. Und Arbeit gibt es auf dem Gelände genug.
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Zur Information: |
Offizielle Kloster-Webseite (Russisch/Englisch)
www.aktuell.RU ist nicht verantwortlich für die Inhalte externer Internetseiten.
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Nach der Oktoberrevolution war auch das vor vielen Jahrhunderten von Einsiedler-Mönchen aus Kiew gegründete Kloster Ploschtschanskaja Pustyn geschlossen und zweckentfremdet worden. Seit dem Zweiten Weltkrieg ist sein einst wichtigstes Heiligtum, eine wundertätige Ikone der Madonna von Kasan, verschollen. Vermutlich befindet sie sich heute in Deutschland. Noch in den 60-er Jahren ließen die Behörden im Rahmen einer antireligiösen Kampagne eine der Kirchen auf dem Gelände sprengen. 1994 zogen wieder die ersten Mönche in die Ruinen, die von dem einst reichen Kloster zurückgeblieben waren und begannen den Wiederaufbau.
Drei Wege: Ins Grab, in den Knast, zu Gott
„Es kommt natürlich vor, dass die Eltern ihre Söhne hier her schieben“, sagt Vater Diomid und setzt noch eine Kanne Tee auf. Diese Männer würden es aber meist nicht lange hinter den Klostermauern aushalten. Die Mönche trennen sich ohne viel Zögern von Gästen, die gegen die strengen Regeln verstoßen, denn „unsere Arbeit gründet sich auf gegenseitigem Vertrauen.“
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Igor ist einer, der trotz der spartanischen Bedingungen unbedingt bleiben will. “Irgendwann ist jeder am Boden angekommen”, sagt der 26-Jährige aus St. Petersburg, der vor sechs Jahren zum ersten Mal Heroin nahm, “Dann gibt es für dich nur noch drei Wege: Einer führt in den Knast, der zweite ins Grab und ein dritter schmal und voller Brennnesseln zu Gott.” Sergej hat seinen Körper in einem Reha-Zentrum in Odessa am Schwarzen Meer entgiften lassen, aber ohne Drogen habe er anschließend nur noch eine große Leere in sich gefühlt. “Hier im Kloster wird diese Leere wieder gefüllt.”
Ein Jahr sei eine gute Zeit, um weit ab von der Außenwelt von den Drogen loszukommen, findet Vater Diomid, der versucht, zu allen Ehemaligen Kontakt zu halten. Schon nach drei Monaten, so seine Erfahrung, würden die jungen Männer langsam damit beginnen, über ihre eigene Zukunft nachzudenken. “Einige wollten zeitweise selbst Mönch werden, doch letztendlich fuhren sie alle wieder zurück in ihre Städte”. Viele seien aktive Mitglieder ihrer Kirchengemeinde geworden. Und über die Hälfte seiner Schützlinge habe nie wieder Drogen angefasst.
(epd/kp)
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