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Graue Männer vor grauer Kulisse: Das Putsch-Komitee "GKTschP" schockierte die Welt - und das eigene Volk (Foto: newsru.com) |
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Freitag, 19.08.2011
20 Jahre nach dem Putsch: Sehnsucht nach ImperialemMoskau. Heute vor 20 Jahren bäumten sich Altkommunisten vergeblich gegen den sich abzeichnenden Kollaps der Sowjetunion auf. Das Ende des Imperiums war auch das politische Aus für den Reformer Gorbatschow.
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20 Jahre nach dem Zerfall der Sowjetunion, zu dem ein Putsch von Altkommunisten am 19. August 1991 in Moskau entscheidend beitrug, sehnen viele Russen das «Imperium» zurück. Die Nostalgie wachse im Jubiläumsjahr sogar, wie das Moskauer Meinungsforschungsinstitut Wziom ermittelte. Jeder fünfte Befragte wünscht sich demnach eine Großmacht wie zu Sowjetzeiten - 2010 seien es nur 16 Prozent gewesen. Die Erinnerung an das totalitäre Regime der Kommunisten scheint hingegen zu verblassen.
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Ein Schock für die Welt: Hardliner-Putsch in Moskau
Die Bilder vom August 1991 hielten die Welt in Atem: Sowjet-Apparatschiks nutzen am 19. die Gunst der Stunde zum Umsturz. Auf der Ferien-Halbinsel Krim wird der Sowjetpräsident Michail Gorbatschow festgesetzt. In Moskau herrscht Ausnahmezustand.
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Empörte Bürger stellen sich unter Führung von Boris Jelzin, dem Präsidenten der russischen Teilrepublik, den auffahrenden Panzern entgegen. Nach zwei Tagen scheitert der Putsch, denn das Militär verweigert die Gefolgschaft. In den Folgemonaten zerfällt die Sowjetunion endgültig am 25. Dezember 1991 wird die UdSSR aufgelöst ihre Teilrepubliken sind nun unabhängige Staaten.
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Putin betreibt die Re-Integration
Auch zwei Jahrzehnte später ist die Sehnsucht nach der alten Großmacht noch tief verwurzelt. Dazu passt, dass der populäre russische Regierungschef Wladimir Putin unlängst wieder einmal von einer möglichen Vereinigung mit Weißrussland sprach. Putin hatte einst das Ende der Sowjetunion nicht nur als «größte geopolitische Katastrophe des Jahrhunderts» bezeichnet.
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Der größte Erfolg in Richtung Wiedervereinigung auf dem UdSSR-Staatsgebiet ist bisher aber nur eine Zollunion zwischen Russland, Weißrussland und Kasachstan. Die nach dem Ende der Sowjetunion geschaffene Gemeinschaft Unabhängiger Staaten (GUS) ist hingegen ohne politisches Gewicht.
Menschenrechtler: Vereinigung nur demokratisch
Experten bewerten die Chancen einer Wiedergeburt eines «Imperiums» unter Moskauer Führung nach Vorbild der Sowjetunion oder auch der Europäischen Union auch skeptisch. Dafür seien demokratische Strukturen nötig, meint die Moskauer Historikerin Irina Schtscherbakowa von der Menschenrechtsorganisation Memorial im Gespräch mit der dpa. Doch davon seien fast alle Ex-Sowjetstaaten weit entfernt.
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Vor allem in den zentralasiatischen Republiken Kasachstan, Usbekistan, Tadschikistan und Turkmenistan kritisieren Menschenrechtler ein System der Bevormundung und Gängelung wie zu Sowjetzeiten. Gleichwohl beobachten Experten dort eine wachsende Angst der autoritären Machthaber vor ähnlich abrupten Umbrüchen wie in der arabischen Welt.
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Gorbatschow gegen Sowjet-Allüren bei Putin
Der frühere Sowjetpräsident Gorbatschow bescheinigte seiner Heimat unlängst autoritäre Tendenzen. Er gilt vielen in seiner Heimat bis heute als «Totengräber des Sowjet-Imperiums». Vor dem Jahrestag des Putsches kritisierte der 80-Jährige, dass Putin und Kremlchef Dmitri Medwedew ein Machtmonopol wie früher zementierten, das anderen politischen Kräften keine Luft zum Atmen lasse. Putin zerre das Volk in die Vergangenheit zurück, sagte er in einem Interview.
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Der im Westen bis heute als Held der Geschichte verehrte «Gorbi» fordert eine Neuauflage seiner Politik von Glasnost (Offenheit) und Perestroika (Umgestaltung), die in den 1980er Jahren das Ende der kommunistischen Supermacht Sowjetunion einläutete.
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Aufbruchstimmung wie damals ist heute Fehlanzeige
Russland fehle ein neuer «demokratischer Aufbruch» wie unter Gorbatschow und dem russischen Präsidenten Boris Jelzin, sagt auch die Historikerin Schtscherbakowa. Der auf einem Panzer stehende Jelzin habe nicht nur die putschenden Altkommunisten im August 1991 besiegt. Er habe als Volksheld der von Gorbatschows Entscheidungsschwäche überdrüssigen Bevölkerung neue Hoffnung gegeben.
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«Die Armut im August 1991 war unerträglich geworden, Menschen standen Schlange, um Brot zu kaufen», erzählt Schtscherbakowa. «Viele haben noch heute Lebensmittelmarken zu Hause liegen, für die es im Grunde nichts zu kaufen gab. Es war wie im Krieg. Das Land war total am Ende.»
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"Gorbi" reformierte nur halbherzig
Gorbatschow habe zwar das Vertrauen des Westens gehabt, Abrüstung, freie Wahlen und Pressefreiheit durchgesetzt und die Sowjettruppen nach einem langen Krieg aus Afghanistan abgezogen. «Aber er versagte bei der politischen Neuausrichtung des Landes», erklärt Schtscherbakowa.
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So habe er versäumt, die reformorientierten Kräfte der Kommunistischen Partei zu vereinen - etwa in einer Sozialdemokratie. Auch werfen Historiker Gorbatschow vor, durch sein Festhalten an der sozialistischen Planwirtschaft die wirtschaftliche Erneuerung Russlands verschleppt zu haben. Die Marktwirtschaft wurde erst 1992 unter dem reformfreudigen Premierminister Jegor Gaidar eingeführt.
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Doch zu diesem Zeitpunkt war Russland bereits so zerrüttet, dass von einem geordneten Übergang keine Rede mehr sein konnte: Das Tafelsilber der russischen Wirtschaft fiel in die Hände einiger weniger neuer Oligarchen, während die Bevölkerung wieder ganz unten anfangen musste.
(Ulf Mauder, dpa)
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